Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat eindringlich vor den Folgen hoher Strafzölle in der EU auf Elektroautos aus China gewarnt. »Einen Handelskrieg mit China kann sich niemand wünschen. Es wäre für Deutschland eine Katastrophe und es wäre auch für die Europäische Union nicht von Vorteil«, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag in einem Videointerview der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. China drohte mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO).
Die EU-Kommission droht mit hohen vorläufigen Strafzöllen auf E-Autos aus China. Auf die Frage, wie er diesen Schritt bewerte, sagte Wissing: »Ich halte davon gar nichts. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist, dafür zu sorgen, dass wir im Wettbewerb am Markt bestehen und nicht den Wettbewerb einschränken. Die Einschränkung von Wettbewerb durch hohe Zölle führt dazu, dass der Wettbewerbsdruck auf die europäischen Hersteller abnimmt. Und das Nachsehen haben dann die Verbraucherinnen und Verbraucher, denn nur Wettbewerb sichert niedrige Preise bei bester Qualität.«
Brüssel sieht Wettbewerbsverzerrung
Die EU-Kommission untersucht seit vergangenem Herbst, ob E-Autos in China von wettbewerbsverzerrenden Subventionen profitieren. Kommissionsangaben zufolge sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: »Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt - das verzerrt unseren Markt.«
Ob die Zölle von bis zu 38,1 Prozent tatsächlich gezahlt werden müssen, hängt laut Kommission davon ab, ob mit China eine andere Lösung gefunden werden kann. Sie würden dann in bestimmten Fällen rückwirkend ab Anfang Juli einbehalten werden, sollte sich die EU darauf verständigen, langfristig höhere Zölle zu erheben.
China will Interessen verteidigen
»China behält sich das Recht vor, bei der Welthandelsorganisation Klage einzureichen und wird alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen entschieden zu verteidigen«, sagte He Yadong, ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, am Donnerstag.
Die Strafzölle würden nicht nur »die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit« im Bereich der neuen Energiefahrzeuge stören, sondern auch die globale Automobilindustrie und die Lieferkette verzerren. Das europäische Vorgehen stünde im Verdacht, gegen die Regeln der WTO zu verstoßen, und sei ein »offensichtlicher Akt des Handelsprotektionismus.«
Wissing kritisiert Kommission
Die EU-Kommission müsse genau sagen, was sie der chinesischen Seite vorwerfe, sagte Wissing. Es würden Strafzölle ins Gespräch gebracht. Aber was man der chinesischen Seite genau vorwerfe, das bleibe die EU-Kommission der Öffentlichkeit immer noch schuldig. »Deswegen finde ich diese Vorgehensweise äußerst fragwürdig. Ich würde vorschlagen, wir besprechen mit unseren Handelspartnern weltweit die Dinge, die wir für verbesserungswürdig erachten und arbeiten daran, dass die Märkte offen bleiben und wir einen Wettbewerb haben.«
Deutschland sei eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft mit einer Industrie, die Spitzenprodukte für die ganze Welt produziere. »Wir sind darauf angewiesen, dass Märkte offen sind und wir können auch bei offenen Märkten mit unserer Spitzenqualität aus Deutschland viele Menschen in der Welt begeistern, unsere Produkte zu kaufen«, sagte der Minister. Es dürften keine Handelsbarrieren aufgebaut werden.
Wissing: Niedrigere Preise für E-Autos notwendig
»Das war immer meine Sorge, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zum schnellen Umstieg bewegen können, weil die Preise für die Neufahrzeuge zu hoch sind«, so Wissing. »Deswegen müssen wir an dieser Stelle eine Lösung haben und die kriegen wir aber nicht, indem wir den Wettbewerb einschränken. Wenn günstigere Fahrzeuge aus dem Ausland vom europäischen Markt ferngehalten werden, gibt es ja keinen Grund für europäische Hersteller, günstigere Fahrzeuge anzubieten.«
Deswegen sei es wichtig, dass Wettbewerb als »Problemlöser« erkannt werde. »Ich habe keine Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie. Das hat sie in der Vergangenheit bewiesen und das wird sie auch in Zukunft beweisen. Aber die Fahrzeuge sind noch nicht für jede und jeden erschwinglich.«
Wenn die Hersteller Elektromobilität in den Markt bringen wollten, müsse einerseits die Qualität stimmen. »Das ist bei deutschen Herstellern der Fall. Aber es muss eben vom Preis her ein Angebot gemacht werden, das für die Menschen bezahlbar ist und auch attraktiv ist. Und da fehlt noch was.«
Kritik auch von Landesminister
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte am Donnerstag: »Das ist mit Abstand die dümmste Idee der EU-Kommission. Solche Zölle wären ein Schuss ins Knie, die Behinderung der eigenen exportorientierten Autoindustrie auf dem Weltmarkt. Zugleich wäre es die Behinderung der Elektrifizierung der Mobilität und – noch schlimmer – des Klimaschutzes.« Auch aus der deutschen Automobilindustrie war Kritik an der EU-Kommission laut geworden.
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