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Teuerung runter: Endet Großbritanniens Kostenkrise?

Die Inflation in Großbritannien ist deutlich zurückgegangen, bald sinken auch die Energiepreise weiter. Die leidige »cost of living crisis« könne bald zu Ende sein, sind erste Stimmen zu hören. Doch so einfach ist es nicht.

Großbritannien
Ein Mann betankt ein Auto an einer Tankstelle in London. Foto: Frank Augstein/DPA
Ein Mann betankt ein Auto an einer Tankstelle in London.
Foto: Frank Augstein/DPA

Rishi Sunak ist sicher, dass sein Plan funktioniert. Er werde die Inflation halbieren, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die öffentlichen Schulden senken, hatte der britische Premierminister versprochen - und sieht sich auf einem guten Weg.

Kommt es anders, dürfte der konservative Politiker erst recht keine Chancen mehr haben, bis zu der für 2024 geplanten Parlamentswahl die öffentliche Stimmung zu drehen. In allen Umfragen liegt die sozialdemokratische Labour-Partei weit vor Sunaks Tories. Das wohl größte Problem für die Konservativen: Die »costs of living« - die Lebenskosten - wachsen den Briten seit langem über den Kopf.

Die Inflation sinkt deutlich

Doch nun sehen einige Experten und die Regierung erste Anzeichen, dass sich etwas ändern könnte. Den dritten Monat in Folge ging die Inflation deutlich zurück: Im Juli betrug die Jahresteuerung 6,8 Prozent. Es ist gar nicht so lange her, da waren es noch gut 11 Prozent. Die Bank of England erwartet zum Jahresende rund 5 Prozent - damit hätte Sunak dieses Ziel geschafft. Stolz verkündete der Premier, die Menschen würden »Licht am Ende des Tunnels« sehen. Zudem stiegen erstmals seit langer Zeit wieder die Reallöhne.

Und am Freitag verkündete die Aufsichtsbehörde Ofgem weitere Entlastung für die Verbraucher: Die Preisobergrenze je Kilowattstunde Strom und Gas sinkt erneut. Ein durchschnittlicher Haushalt werde von Oktober bis Dezember - aufs Jahr gerechnet - 1923 Pfund (knapp 2250 Euro) für Energie zahlen, teilte Ofgem mit. Das ist der niedrigste Stand seit März 2022. Sunak sprach in der BBC von »richtig guten Nachrichten für Familien«. Die Regierung arbeite weiter hart daran, Verbraucher zu entlasten, versprach der Regierungschef.

Das Marktforschungsunternehmen GfK verzeichnete ein deutliches Plus bei der Verbraucherstimmung um fünf Punkte im Juli. »Die «cost of living crisis» scheint zu einem Ende zu kommen«, kommentierte bereits vor kurzem der Ökonom Ashley Webb vom Wirtschaftsforschungsunternehmen Capital Economics.

Die Arbeitslosigkeit steigt

Doch die meisten Experten bleiben skeptisch. Die Inflation habe sich tatsächlich verbessert, räumte der Sender Sky News ein. Doch die Regierungspolitik habe nur eine geringe Rolle dabei gespielt - der Grund seien vielmehr die gefallenen Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt. Das sehen auch die Wähler so: In einer Yougov-Umfrage für die Zeitung »Times« lobten nur 8 Prozent Sunak für die Entwicklung.

Andere Wirtschaftsdaten sprechen zudem gegen ein baldiges Ende der Krise. Die Arbeitslosigkeit steigt, dabei sinkt die Zahl der freien Stellen. Anders als von Sunak versprochen stagniert die Wirtschaft, die Schulden sind seit seinem Amtsantritt gestiegen.

Ein Beispiel, wie schwierig die Lage ist: Um Geld zu sparen, sei im vergangenen Winter in 13 Millionen Haushalten die Heizung nicht aufgedreht worden, schätzte die Verbraucherschutzorganisation Which? kürzlich. Vor allem Einkommensschwache sowie Menschen zwischen 45 und 64 waren betroffen. Die Denkfabrik Resolution Foundation bezweifelt, dass sich das im bevorstehenden Winter ändert.

Obwohl die Energiekosten sinken, müsse jeder dritte Haushalt in England mehr bezahlen als im Vorjahr - weil die tägliche Grundgebühr steige und die monatliche staatliche Unterstützung von 67 Pfund ausgelaufen sei. Der Labour-Klimapolitiker Ed Miliband wetterte, die Tories versagten seit Jahren in der Energiepolitik. »Sie stehen auf die Seite der Öl- und Gaskonzerne, die auf Kosten hart arbeitender britischer Familien Rekordgewinne erzielen«, sagte er.

Zwar seien andere Regierungshilfen gestiegen - doch zugleich auch Kosten für lebensnotwendige Güter noch stärker in die Höhe geschnellt, kommentierte Resolution. Hugh Pill, Chefökonom der Bank of England, warnte, Lebensmittel blieben dauerhaft teuer. Deshalb, so der Thinktank, werde die von Ofgem verfügte Senkung der Energiepreise kaum »einen weiteren Winter finanzieller Not verhindern«.

Sorgen bereiten auch die hohen Hypothekenzinsen. Weil die Zentralbank den Leitzins 14 Mal in Folge erhöht hat, zuletzt auf 5,25 Prozent, müssen Eigentümer deutlich für die in Großbritannien üblichen variablen Zinsen zahlen. Die Hauspreise fallen - die Angst vor einer Immobilienblase wächst. »Es ist kein sofortiges Ende in Sicht«, kommentierte Sky News. Die Opposition sieht sich obenauf. Die Menschen fühlten sich »gefangen« und »erstickt«, sagte Labour-Chef Keir Starmer jüngst. Auch deshalb schafft es Premier Sunak bisher nicht, seinen Herausforderer einzuholen.

© dpa-infocom, dpa:230824-99-950162/8