Millionen Bundesbürger müssen sich darauf einstellen, dass in den kommenden Tagen Briefe und Pakete mit Verspätung kommen. Die Gewerkschaft Verdi ruft die Beschäftigten in allen Brief- und Paketzentren der Deutschen Post bundesweit für Donnerstag seit 17.00 Uhr sowie Freitag ganztägig zu Warnstreiks auf, nachdem die zweite Runde der Tarifverhandlungen für die rund 160.000 Postbeschäftigten ohne Ergebnis zu Ende ging. »In den folgenden Tagen werden weitere Streiks folgen«, kündigte Verdi an.
Die Gewerkschaft fordert 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Der überwiegende Teil der Verdi-Mitglieder bei der Post habe ein niedriges Einkommen und könne Reallohnverluste nicht verkraften, sagte die Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. Rund 140.000 der 160.000 Tarifbeschäftigten verdienten zwischen 2108 und 3090 Euro monatlich. Sie treffe die hohe Inflation besonders hart, da sie einen großen Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel und Energie verwenden müssten. Die letzte Tariferhöhung im Januar 2022 habe lediglich bei 2 Prozent gelegen.
Post-Vorstand: Unrealistische Forderungen
Verdi halte die Forderungen deshalb für »notwendig, gerecht und machbar«. Doch das Unternehmen zeige kein Verständnis für die Situation der Beschäftigten. »Die Arbeitgeber haben sich sehr deutlich geäußert, dass sie nicht bereit sind, den Reallohnverlust und die Inflation auszugleichen«, sagte Kocsis. Dies sei angesichts der Milliardengewinne des Konzerns eine Provokation. »Darauf werden die Beschäftigten in den Betrieben nun eine klare Antwort geben und ihren Forderungen mit Streiks Nachdruck verleihen.«
Der Post-Vorstand hatte die Forderung bereits vor der jüngsten Verhandlungsrunde als unrealistisch abgelehnt. Ein Sprecher betonte, das Unternehmen habe Verdi in den Tarifgesprächen konkrete Vorschläge gemacht, in denen es vor allem um die Bausteine und Struktur der Lohnerhöhungen gegangen sei. Man habe aber auch deutlich gemacht, »dass die gewerkschaftliche Annahme, dass Lohnsteigerungen durch Preiserhöhungen weitergegeben werden können, aufgrund der umfassenden Preisregulierung für das Brief- und Paketgeschäft in Deutschland in den kommenden Jahren nicht zutrifft«.
Die Post sprach von konstruktiven Diskussionen. Damit sei die Grundlage geschaffen, um in der schon vereinbarten dritten Verhandlungsrunde am 8. und 9. Februar »ein Angebot vorzulegen, das sich an einem fairen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Beschäftigten und den ökonomischen Realitäten von Post & Paket Deutschland orientieren wird«.
So viele Beschwerden wie noch nie
Auch ohne Streiks hatte es zuletzt viele Beschwerden über Zustellmängel gegeben. Im vergangenen Jahr registrierte die Postbeschwerdestelle der Bundesnetzagentur so viele Beschwerden wie nie - insgesamt rund 43.500 und damit fast dreimal so viele wie 2021. Die Beschwerden richten sich gegen die ganze deutsche Brief- und Paketbranche. Die meisten Wortmeldungen über verspätete oder verlorene Sendungen beziehen sich aber auf den Marktführer Deutsche Post.
Das Unternehmen selbst spricht von lokalen Problemen, die sie mit einem hohen Krankenstand und mit der generell schwierigen Suche nach Arbeitskräften begründet. Ein Firmensprecher sagte noch vor wenigen Tagen, man werde in diesem Jahr »alles daran setzen, trotz der weiter herausfordernden Umstände die Qualität in der Zustellung weiter zu verbessern«.
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