Berlin (dpa) - Für seine Verdienste um die Stabilität des Euro und der EU hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Draghi habe »in stürmischen Zeiten den Euro und die Europäische Union zusammengehalten«, sagte Steinmeier am Freitag in einer Feierstunde im Schloss Bellevue in Berlin. »Damit haben Sie sich um Europa verdient gemacht. Und damit haben Sie - das sage ich ganz bewusst - auch meinem Land einen großen Dienst erwiesen.«
Steinmeier verlieh dem langjährigen EZB-Präsidenten das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland - die zweithöchste Auszeichnung, die es gibt. Auch die vorherigen EZB-Chefs Jean-Claude Trichet und Wim Duisenberg waren damit geehrt worden.
Draghi dankte dem Bundespräsidenten und der anwesenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Unterstützung der EZB: »Sie haben unerschütterlich an unserer Seite gestanden, in einer Zeit, als sich andere große Zentralbanken einem wachsenden politischen Druck ausgesetzt sahen. Und Sie haben dies auch in Zeiten von Differenzen getan, in dem Bewusstsein, dass wir dieselben fundamentalen Werte von Geldwertstabilität und Verpflichtung gegenüber dem Recht teilen«, betonte er. »Die Bundesrepublik ist ein Anker unserer Politik gewesen, auch in den Unruhen des vergangenen Jahrzehnts.«
Die Auszeichnung Draghis stieß wegen dessen umstrittener Niedrig- und Nullzinspolitik auf Kritik. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, sprach am Freitag von einem »Schwarzen Freitag« für die deutschen Sparer. Draghi habe die Auszeichnung nicht verdient. »Durch seine Niedrigst-Zins-Politik haben die deutschen Kleinanleger und Rentner Vermögen in Milliardenhöhe verloren.«
Steinmeier ging auf die Vorwürfe ein. Natürlich sei Kritik an einer unabhängigen Zentralbank und den handelnden Personen möglich. »Aber bitte in einer sachlichen Debatte mit Respekt und Anstand.« Er wünsche sich auch, dass die Debatte nicht ausschließlich von denjenigen geführt werde, »die Niedrigzinsen in den Vereinigten Staaten gut finden und in Europa schlecht oder gleichzeitig für die Sparer schlecht und für die Bauwirtschaft gut«.
Der Bundespräsident rief die EZB auf, ihre Politik in verständlicher Weise zu erklären. Die Öffentlichkeit müsse bereit sein, sich mit deren Argumenten vorurteilsfrei auseinanderzusetzen.
Zugleich rief Steinmeier dazu auf, die nächsten Schritte hin zur Vervollständigung der Wirtschafts- und Währungsunion zu gehen. Wenn die Europäische Union hier nicht vorankomme, werde es Draghis Nachfolgern bei künftigen Krisen ebenso wie diesem ergehen. Draghi habe während der Wirtschafts- und Finanzkrise mit den Instrumenten einer Zentralbank in einer Zeit handeln müssen, »als es kein voll entwickeltes europäisches Instrumentarium zur Krisenintervention gab«.
Draghi war von 2011 bis 2019 EZB-Chef. Mit Nullzinsen und am Ende sogar Strafzinsen für Banken sowie Anleihenkäufen zog der Italiener alle Register im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturflaute. Das ärgert bis heute viele Sparer, freut aber die Schuldner - auch den Bundesfinanzminister. Weil Baukredite kaum noch etwas kosten, boomt zugleich die Nachfrage nach Immobilien. Zudem ist das billige Notenbankgeld seit Jahren Schmierstoff für die Börsen.