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Steillagenweinbau: aufwendig und für Fortgeschrittene

Weinbau in Steillagen ist arbeitsintensiv, kostspielig und nicht ungefährlich - aber auch faszinierend und ein Tourismusmagnet. Die Besonderheiten finden sich in der Flasche und im Preis wieder.

Wiltingen
Roman Niewodniczanski, Inhaber des Weinguts Van Volxem an Saar und Mosel. Foto: Van Volxem
Roman Niewodniczanski, Inhaber des Weinguts Van Volxem an Saar und Mosel.
Foto: Van Volxem

An den steilen Hängen der Flusstäler von Rhein, Mosel, Main, Neckar und Elbe wird auf rund 14 000 Hektar Wein angebaut. Die Fläche dieser landschaftlich reizvollen Steillagen ist nach Einschätzung des Deutschen Weininstituts (DWI) in den vergangenen Jahren mit leichten Schwankungen weitgehend unverändert geblieben und macht etwas 14 Prozent der gesamten Rebfläche in Deutschland aus. Wetterextreme infolge des Klimawandels, Nachwuchssorgen, Fachkräftemangel und deutlich steigende Kosten stellen die Winzer dieser ohnehin anspruchsvollen Anbauform vor zusätzliche Herausforderungen.

»Steillagenweinbau erfordert viel mehr Handarbeit, ist zeitlich aufwendiger und körperlich anstrengender«, berichtet Randolf Kauer vom Mittelrhein. Der Fachmann und Professor von der Hochschule Geisenheim ist selbst Winzer. »Während man für die Bearbeitung eines Hektar Weinbergs in der Ebene nur etwa 200 bis 250 Stunden benötigt, sind es in der Steillage je nach Mechanisierungsrad 800 bis 1600 Stunden«, sagt Ernst Büscher vom DWI. Zugleich seien die Erträge geringer, wegen der oft felsigen, flachgründigen Standorte mit Schieferverwitterungsböden, sagt Kauer.

Dazu kommt noch der aufwendige und teure Erhalt der Trockenmauern, die Steillagenterrassen stützen. Die zeitintensive Reparatur koste mehr als 1000 Euro pro Quadratmeter, sagt Büscher. »Im Anbaugebiet Württemberg stehen allein über 800 Hektar Weinberge in Steillagen, die mit Trockenmauern terrassiert sind.« Die Bewirtschaftung an den engen steilen Hängen ist zudem nicht ungefährlich. Mindestens einmal im Jahr komme es in Deutschland zu einem schweren Unfall, berichten Kauer und Büscher.

Winzer: Rarer und teurer

Der Winzer Carlo Schmitt von der Mosel etwa war elf Jahre alt, als sein Vater in einer Steillage tödlich verunglückte. Das Weingut habe danach drastisch auf 1,5 Hektar verkleinert werden müssen. Inzwischen sei es fast doppelt so groß und soll weiter wachsen. Die Besonderheit: Schmitts Lagen ziehen sich zwischen Neumagen und Schweich rund 30 Kilometer an der Mosel entlang. Wegen der vielen Windungen des Flusses sei das Terroir - der Boden, die Lage, die besonderen klimatischen Verhältnisse - ganz unterschiedlich, sagt der 24-Jährige, der einen hohen Qualitätsanspruch an seine Weine hat.

»Eine Zukunftschance hat der Steillagenweinbau nur im Premiumsegment«, sagt Roman Niewodniczanski, Inhaber des Weinguts Van Volxem an Saar und Mosel. »Steillagenweine werden in Zukunft rarer und teurer werden.«

Wann beginnt eine Steillage? »Ein Weinberg muss eine Hangneigung von mehr als 30 Prozent hat«, erläutert Büscher. Viele Weinberge seien allerdings deutlich steiler. Als steilster Weinberg Europas gelte mit 68 Grad der »Bremmer Calmont« an der Mosel. Extrem alte, tiefwurzelnde Reben machten zusammen mit dem mineralischen Boden und höheren Tag-Nacht-Schwankungen die besondere Qualität der Steillagenweine aus.

Moderne Technik könnte die Arbeit erleichtern

Das Anbaugebiet im Unesco-Welterbe Mittelrhein mit seinen besonders steilen Lagen sei nach vielen, vielen Jahrzehnten des deutlichen Rückgangs auch wieder »relativ stabil in der Fläche« - auch wenn es mit rund 470 Hektar eines der kleinsten in Deutschland sei, berichtet Kauer. »Es gibt viele Betriebe, deren Betriebsnachfolge am Mittelrhein mittlerweile gesichert ist.« Um 1900 habe es in der Region aber noch rund 2000 Hektar Steillagenweinbau gegeben und 1970 immerhin noch 700 Hektar. »Wir hätten Potenzial, um circa 200 Hektar wieder zu bepflanzen.«

Moderne Technik könne gerade in Zeiten des Fachkräftemangels vieles leichter machen, auch in den Steil- und Steilstlagen, sagt Kauer. So könnten inzwischen seilunterstützte Raupenfahrzeuge eingesetzt werden, sogar fahrerlose am Seil, die von einem sicheren Platz aus gesteuert werden, seien in der näheren Zukunft geplant. »Aber sie erfordern auch hohe Investitionskosten und sind nur für entsprechend große Betriebe rentabel.«

»Spitzenweine erreichen wir nur mit viel Aufwand von Hand«, sagt Niewodniczanski aus Wiltingen, in dessen Steillagen im Herbst bis zu 120 Menschen mit der Lese beschäftigt sind. Personal sei aber immer schwerer zu bekommen. Außer auf Qualität müssten die Winzer beim herausfordernden Weinbau in den Steillagen auch auf mehr Nachhaltigkeit und neue Technologien wie Drohnen setzen.

Anspruchsvolle Vermarktung

»Weinbau in Steillagen ist eine große Herausforderung, aber die Qualität des Weines entschädigt für alles«, resümiert Kauer. Die Winzer könnten das besondere Terroir der Steillagen schmeckbar machen, sagt Büscher. Sie dürften daher auch Steillagenwein oder Terrassenlagewein auf das Etikett schreiben.

Die Vermarktung sei anspruchsvoll, berichtet Kauer. Die hohen Produktionskosten und die geringeren Erzeugermengen erforderten Preise von etwa 15 Euro pro Flasche. Dies gelte ganz besonders für Betriebe, die vor allem oder ausschließlich Weine aus Steillagen produzierten. Die Zielgruppe seien damit vor allem »Gourmets und Feinschmecker, die Fortgeschrittenen in der Weinkonsumentenwelt«.

© dpa-infocom, dpa:230609-99-993561/5