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Shell steigt bei PCK-Raffinerie Schwedt aus - und nun?

Seit Jahren schon will der Shell-Konzern seine Anteile an der nordostdeutschen Großraffinerie PCK verkaufen. Ein Käufer ist bereits gefunden. Doch viele Fragen bleiben offen.

PCK-Raffinerie
Verschiedene Anlagen der Rohölverarbeitung auf dem Gelände der PCK-Raffinerie GmbH. Der Energiekonzern Shell will seinen Anteil von 37,5 Prozent an der ostdeutschen Großraffinerie PCK Schwedt an die britische Prax-Gruppe verkaufen. Foto: Patrick Pleul/DPA
Verschiedene Anlagen der Rohölverarbeitung auf dem Gelände der PCK-Raffinerie GmbH. Der Energiekonzern Shell will seinen Anteil von 37,5 Prozent an der ostdeutschen Großraffinerie PCK Schwedt an die britische Prax-Gruppe verkaufen.
Foto: Patrick Pleul/DPA

Viel ist in der Schwebe für die PCK-Raffinerie Schwedt, eine der wichtigsten Industrieanlagen im Nordosten der Republik. Die Russland-Sanktionen haben die früher mit russischem Öl versorgte Anlage getroffen. Das Unternehmen ist größtenteils unter Kontrolle des Bundes, und es ist unklar, wie es damit weiter geht. Ganz zu schweigen von der ferneren, grüneren Zukunft. Aber in einem Punkt gibt es nun eine Entscheidung: Der Energieriese Shell will als Anteilseigner raus und hat die britische Prax-Gruppe als Käufer gewonnen. Diese soll 37,5 Prozent der Raffinerie übernehmen.

Die Geschäftsführung von PCK, der Bund und das Land Brandenburg werteten das am Freitag als Signal der Stabilität für ein Unternehmen, an dem nicht nur Tausende Arbeitsplätze in Ostdeutschland hängen, sondern auch die Versorgung des Nordostens mit Benzin, Diesel und Kerosin. Für Verbraucher soll sich nach dpa-Informationen mit dem Deal nichts ändern - die Belieferung des PCK mit Rohöl und der Vertrieb von Sprit in der Region sollten laufen wie bisher, hieß es. Trotzdem gibt es auch deutliche Kritik.

»Es kann doch nicht sein, dass diese wichtigen Anteile an einen kleinen britischen Ölhändler gehen«, sagte der Linken-Politiker und PCK-Kenner Christian Görke der Deutschen Presse-Agentur. Prax werde den geplanten Umbau zur grünen Raffinerie für e-Fuels und Wasserstoff nicht stemmen können, denn das Zukunftskonzept werde mindestens 15 Milliarden Euro kosten. Görkes Forderung: Der Bund soll die Shell-Anteile selbst übernehmen und den Standort auf Dauer sichern.

Die Ausgangslage

Die Vorgeschichte ist ziemlich unübersichtlich. Shell plant den Verkauf seiner Anteile seit Jahren, nach eigenen Angaben, um sein Raffinerie-Geschäft auf wenige Standorte zu konzentrieren. Als wahrscheinlichster Käufer galt lange die österreichische Alcmene-Gruppe, 2021 war der Deal schon fast perfekt. Doch dann machte der russische Staatskonzern Rosneft, der über zwei Töchter gut 54 Prozent der Anteile an PCK besitzt, ein Vorkaufsrecht geltend.

Das scheiterte, als Anfang 2022 Russland die Ukraine angriff und die Europäische Union mit Sanktionen reagierte. Für PCK war das ein tiefer Einschnitt, denn die Anlage verarbeitete seit den 1960er Jahren fast nur russisches Rohöl aus der Druschba-Pipeline. Das wollte die Bundesregierung aus politischen Erwägungen beenden. Deshalb übernahm der Bund die Rosneft-Anteile als Treuhänder und so faktisch die Kontrolle über die Mehrheit des Unternehmens. Statt russischen Öls bezieht PCK nun Tankeröl über die Häfen Rostock und Danzig sowie Öl aus Kasachstan, transportiert über die Druschba.

Der Käufer

Die britische Prax-Gruppe handelt international mit Rohöl, Mineralölprodukten und Biokraftstoffen. Sie hat nach eigenen Angaben 1450 Mitarbeiter an acht Standorten weltweit. Im Vergleich zum ebenfalls britischen Konzern Shell mit weltweit mehr als 90.000 Beschäftigten und 380 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz ist Prax sehr klein.

In einer Mitteilung betonte Prax sein strategisches Interesse, in der EU stärker Fuß zu fassen. Zu den Plänen für PCK hieß es: »Die Gruppe plant, die Aktivitäten der Raffinerie bei der bereits laufenden Energiewende zu unterstützen und weitere Chancen für die Region zu eröffnen.« Und weiter: »Dieser Kauf wird neue Investitionen für die Raffinerie bringen.«

Was der Einstieg bedeuten könnte

Das Echo in Schwedt war erst einmal positiv, wenn auch verhalten. »Ich bin froh über diese Ankündigung, denn sie bringt für uns Klarheit und Planungssicherheit für die weitere Zukunft unserer PCK«, erklärte PCK-Chef Ralf Schairer. Der Betriebsrat ergänzte: »Für uns ist es wichtig, dass mit Prax ein Unternehmen die Anteile erwirbt, welches ein Interesse an der Standort- und Arbeitsplatzsicherung hat.«

Ähnlich äußerten sich Bundeswirtschaftsministerium und das Land Brandenburg. »Für das PCK Schwedt gibt es jetzt Planungssicherheit«, erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) bermerkte, Prax habe nicht nur Erfahrung rund um Erdöl, sondern betreibe auch Wasserstoffprojekte. »Ich sehe eine positive Entwicklung für Schwedt.«

Die Hürden

Doch sind noch viele Fragen offen. Shell erklärte, der Abschluss des Geschäfts werde für die erste Hälfte 2024 erwartet, »vorbehaltlich der Rechte der Partner und der behördlichen Genehmigungen«. Die jetzigen Anteilseigner haben wiederum ein Vorkaufsrecht. Dazu zählt neben Rosneft der Minderheitseigner Eni, dem 8,3 Prozent gehören.

Für die Rosneft-Anteile von etwa 54 Prozent läge die Entscheidung über ein Vorkaufsrecht wohl beim Treuhänder Bund. Was damit wird, blieb am Freitag offen, ebenso die Frage, was der Bund mittelfristig mit den Rosneft-Anteilen vorhat. Sie gehören ja nicht dem Staat, er verwaltet sie nur. Vorerst läuft dies bis März 2024.

© dpa-infocom, dpa:231215-99-307380/4