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Scholz würdigt Arbeit der Bauern - Traktorproteste in Kiel

Zum runden Jubiläum des Bauernverbands dankt der Kanzler der Branche für ihre Leistungen. Die Politik will sie auch beim Weg zu mehr Tier- und Umweltschutz unterstützen. Doch um die Bedingungen gibt es Ärger.

Festakt zu 75 Jahren Deutscher Bauernverband
Joachim Rukwied (r), Präsident des Deutschen Bauernverbandes, begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Festakt zu 75 Jahren Deutscher Bauernverband. Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA
Joachim Rukwied (r), Präsident des Deutschen Bauernverbandes, begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Festakt zu 75 Jahren Deutscher Bauernverband.
Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die wichtige Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland gewürdigt und für einen breit getragenen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit geworben.

Das sei nicht eine Sache, die man bei den Landwirten abladen könne, sagte er am Donnerstag bei einem Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Deutschen Bauernverbands in Berlin. »Sondern es ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft.« Dabei seien Nachhaltigkeit in ökologischer Hinsicht und ökonomische Tragfähigkeit eben kein Gegensatz.

Proteste an Regierungskurs

Am Rande der Agrarministerkonferenz in Kiel rollten mehrere Hundert Landwirte auch mit Traktoren an, um gegen den Regierungskurs zu protestieren.

Scholz sagte, die Landwirtschaft müsse sich mit der Klimakrise und dem Rückgang der Biodiversität auseinandersetzen - und zugleich gestiegenen Erwartungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern an Umwelt- und Tierschutz gerecht werden. »Und Landwirtschaft bedeutet eben auch, dass es ein Geschäftsmodell ist, das funktionieren muss.« Es sei kompliziert, damit zurechtzukommen. Und einfache Lösungen gebe es nicht. Er sei aber überzeugt, dass Landwirte, Politik und die Verbraucherinnen und Verbraucher es gemeinsam schaffen könnten. Die Regierung unterstütze es auch, neue Möglichkeiten auszutesten - etwa bei pragmatischen Wegen zur Emissionsminderung in der Tierhaltung.

In Gang kommen soll jetzt ein Wandel zu besseren Haltungsstandards in den Ställen. Und zwar ohne, dass die Höfe alleine auf den Mehrkosten sitzen bleiben. Um die Bedingungen und eine Förderung dafür gibt es aber weiter Streit. Als Anschub hat die Koalition vorerst eine Milliarde Euro bis 2026 reserviert, ringt aber seit Monaten um eine weitergehende dauerhafte Finanzierung. Bei Fleisch im Supermarkt soll bald auch ein verpflichtendes staatliches Logo die Haltungsform anzeigen - beschlossene Sache ist es zunächst bei Schweinefleisch. Seit längerem gibt es schon eine Kennzeichnung der Supermarktketten.

Özdemir: Höfesterben beenden

Bundesagrarminister Cem Özdemir rief zur Konferenz mit den Ländern zu parteiübergreifender Zusammenarbeit auf, um die tief in der Krise steckende Tierhaltung zu stärken. »Mit der Weiterentwicklung der Tierhaltung wollen wir das Höfesterben beenden und dafür sorgen, dass «Made in Germany» auch künftig für gutes Fleisch aus Deutschland steht«, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. »Das ist ein Kraftakt, der uns nur gemeinsam gelingen kann.« Die Betriebe wollten Planungssicherheit und benötigen finanzielle Unterstützung. Dabei gelte: »Wir wollen weniger Tiere besser halten. Damit antworten wir auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen, wo immer weniger Fleisch gegessen wird – mit Blick Tierwohl, auf Klima und Umwelt.«

Der Vorsitzende der Länder-Agrarminister, Werner Schwarz (CDU) aus Schlewsig-Holstein, sagte dem »Tagesspiegel« (Donnerstag), die vom Bund angekündigte Stall-Milliarde werde nicht reichen. Minister Till Backhaus (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern monierte in Kiel, es sei nicht klar, wo die Reise hingehe. Dass sie mehr tun müssten für Tierwohl, Artenvielfalt, Klimaschutz, sauberes Wasser - das hätten die Bauern doch längst verstanden. »Aber bitte schön, dann muss man das auch mal in die Produkte einpreisen. Wenn das nicht passiert, gibt es keine Landwirtschaft in Deutschland in der Form mehr.«

Scholz: Beitrag zur Ernährungssicherung

Beim Festakt in Berlin sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied, die Landwirtschaft sei ein Garant für Stabilität in der Gesellschaft. Es gehe um Ernährungssicherung in Kombination mit Klima-, Umwelt- und Tierschutz - und darum, dass dies auch eine Zukunft für nächste Generationen aufzeige. Der Deutsche Bauernverband war 1948 gegründet worden und vertritt nach eigenen Angaben nach wie vor rund 90 Prozent der knapp 250.000 Landwirtschaftsbetriebe.

Scholz betonte auch mit Blick auf die angespannten Agrarmärkte infolge des Ukraine-Kriegs: »Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist in den vergangenen Monaten bewusst geworden, wie groß die strategische Bedeutung der heimischen Landwirtschaft für unser Land ist.« In ihren Leistungen der vergangenen Jahrzehnte hätten sich die deutschen Landwirtinnen und Landwirte jeden Respekt verdient. »Sie sind es, die uns Tag für Tag mit hochwertigen, gesunden und bezahlbaren Nahrungsmitteln versorgen. Und sie leisten zugleich einen sehr wichtigen Beitrag zur weltweiten Ernährungssicherung.«

© dpa-infocom, dpa:230921-99-278189/3