Berlin (dpa) - Neue Angebote zum Schutz vor Diesel-Fahrverboten in deutschen Städten sollen Autobesitzern in möglichst vielen Regionen zugute kommen.
Eine Sprecherin von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte am Sonntag zu vorgesehenen Umtauschprämien, um schmutzige ältere Diesel durch sauberere Wagen zu ersetzen: »Es wird an einer Lösung gearbeitet, die nicht nur auf wenige betroffene Städte ausgerichtet ist.« Das Umweltministerium pochte darauf, technische Nachrüstungen älterer Diesel auch Pendlern zu ermöglichen, die weiter entfernt von belasteten Städten wohnen. Trotz mehrerer offener Fragen wollen Union und SPD an diesem Montagabend im Koalitionsausschuss eine Einigung auf ein Paket herbeiführen.
Die »Bild am Sonntag« berichtete, die deutschen Hersteller hätten Prämien von 3000 bis 10.000 Euro angeboten. Diese könnten Kunden für ältere Diesel der Normen Euro 4 und 5 bekommen, wenn sie dafür einen moderneren Diesel oder Benziner ordern - neu oder gebraucht. Das Programm solle aber voraussichtlich nur für 14 Städte mit dem jeweiligen Umland gelten. Die Verkehrsministeriumssprecherin sagte dazu: »Wir werden bis Montag einen Weg für eine größere Flächenwirkung für die Entlastung in der Diesel-Thematik finden.« Für die genaue Höhe möglicher Prämien gab es zunächst keine Bestätigung.
Die 14 Städte sind diejenigen, in denen laut Umweltbundesamt die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) 2017 mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft betrug: München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr, werden aber für andere betroffene Städte spezielle Lösungen angestrebt - unter anderem für Frankfurt am Main, wo nach einem Gerichtsurteil 2019 Fahrverbote kommen sollen. Dort liegt die Belastung mit 47 Mikrogramm knapper über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm, der in insgesamt 65 Städten überschritten wurde.
Die Verbraucherzentralen dringen auf großflächigere Regelungen. Angebote, die Fahrverbotszonen wie in Frankfurt oder womöglich in Berlin ausschlössen, wären Flickschusterei und Hohn gegenüber den betroffenen Fahrern, schrieb der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, auf Twitter. Zudem führe der Begriff »Umtauschprämie« in die Irre, weil Fahrer trotzdem ein neues Auto kaufen müssten. Das könnten sich nicht alle finanziell leisten.
Die Grünen verlangten von der Regierung rasche Klarheit für Umbauten an Motoren älterer Autos. »Ich erwarte eine umfassende und schnelle technische Hardware-Nachrüstung schmutziger Diesel-Pkw auf Kosten der Hersteller«, sagte Parteichefin Annalena Baerbock der Deutschen Presse-Agentur. Dagegen seien Vorschläge wie ein Prämien-Programm für neue Fahrzeuge nicht zielführend. »Davon profitieren nur diejenigen, die sich ein neues Auto leisten können. Jede normale Familie bleibt auf ihrem alten umweltschädlichen Diesel-Pkw sitzen.«
Bei möglichen Umbauten an Motoren gab es aber noch offene Fragen. Ein schwieriger Punkt in den Gesprächen war laut Koalitionskreisen, dass die Hersteller vorerst nicht bereit waren, die kompletten Kosten zu tragen. Umwelt-Staatssekretär Florian Pronold (SPD) sagte am Samstag im Deutschlandfunk, es müsse auch im Interesse der Autokonzerne sein, »dass sie sich bewegen und deutliche Schritte auf die Käuferinnen und Käufer zu machen«. Fahrer dürften nicht zur Kasse gebeten werden. Zu klären war auch die Frage, wer die Haftung für Umbauten übernimmt.
Pronold forderte zudem, Pendlern mit weiten Wegen Nachrüstungen zu ermöglichen. »Wenn man eine 70-Kilometer-Grenze zum Beispiel machen würde, würde man doch eine ganze Menge Menschen, die weite Wege zur Arbeit in Kauf nehmen, ausnehmen aus einer solchen Nachrüstregelung.« Verkehrsminister Scheuer hatte diesen Umkreis vorgeschlagen, in dem es für Autos mit Euro-Norm 5 Möglichkeiten zu Nachrüstungen geben könnte.
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bekräftigte seine Forderung nach Hardware-Nachrüstungen. »Am Ende braucht es eine Lösung, in der diejenigen, die ein Auto gekauft haben, keinen Schaden haben«, sagte er im Deutschlandfunk. Wenn es bei bestimmten Wagen mit so hohem Aufwand verbunden sei, dass es keinen Sinn mache, könnten andere Lösungen möglich sein. Bouffier nannte Entschädigungen oder Umtausch. In Hessen wird am 28. Oktober ein neuer Landtag gewählt.