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Proteste von Landwirten und Fischern gegen Agrarpolitik

Mit mehrtägigen Protesten, Kutterdemos und Treckerkonvois machen Landwirte und Fischer ihrem Unmut über die Agrar- und Fischereipolitik Luft. In direkter Nähe zum Tagungsort der Agrarminister in Büsum. Zu besprechen gibt es viel.

Proteste
Bauern und Krabbenfischern protestieren bei der Agrarministerkonferenz in Büsum gegen den Umbau der Tierhaltung. Foto: Christian Charisius
Bauern und Krabbenfischern protestieren bei der Agrarministerkonferenz in Büsum gegen den Umbau der Tierhaltung.
Foto: Christian Charisius

»Auflagen-Flut = Einkommens-Ebbe«, »Özdemir: Lös die Tierwohlbremse« oder »Das Land zwischen den Meeren bald ohne Krabbenkutter«? Hunderte Landwirte und Fischer haben im schleswig-holsteinischen Büsum anlässlich der Agrarministerkonferenz erneut gegen die Agrarpolitik und befürchtete Einschnitte in der Krabbenfischerei protestiert.

Dutzende Kutter lagen dicht gedrängt in dem kleinen Nordseehafen, am Ufer standen Traktoren - am Mittwoch waren nach Polizeiangaben etwa 400 Trecker und 60 Kutter nach Büsum gekommen. Unter anderem der von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) geplante Umbau der Tierhaltung zu weniger Tieren im Stall und das von der EU-Kommission geplante Verbot von Grundschleppnetzen in Schutzgebieten macht vielen Sorgen.

Die Agrarminister treffen sich noch bis Freitag in Büsum zu ihrer Frühjahrskonferenz. Beratungsbedarf gibt es viel und die Tagesordnung ist lang: 36 Punkte stehen auf der Agenda - neben dem geplanten Verbot von Grundschleppnetzen und dem Umbau der Tierhaltung gehören unter anderem der Umgang mit Wolf und Gänsen, die Weidehaltung, das Kükentöten, die Rettung von Lebensmitteln und die Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik dazu. Nicht überall liegen Bund und Länder auf einer Linie. »Wir haben noch kräftig zu arbeiten«, sagte Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister und Vorsitzender der Agrarministerkonferenz, Werner Schwarz (CDU).

Die Zukunft der Landwirtschaft

Bereits am Vormittag sagte Schwarz zu Demonstranten, es zeichne sich ab, dass in einigen Punkten ein Kompromiss erreicht werden könne. Aber alle Probleme »heute und morgen zu lösen« sei nicht möglich. »Aber ich gehe davon aus, dass wir in vielen Punkten einen Schritt weiterkommen.«

Auch Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) sicherte den Demonstranten Unterstützung zu. Es gehe um eine Zukunft der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft »und wir wollen, dass man in Berlin auf uns hört«. Man sei zu Kompromissen bereit. »Aber Kompromisse heißt für uns nicht, dass man so lange versucht mit uns zu diskutieren, bis wir die Meinung von Cem Özdemir akzeptieren.«

Das Bundeslandwirtschaftsministerium pocht auf einen Umbau hin zu weniger Tieren pro Stall. Schulze, Schwarz und ihre Kollegen aus den Unions-geführten Agrarministerien von Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfale befürchten, dass - wenn Özdemirs Pläne Realität werden - Fleisch von Tieren importiert werde, das unter geringeren Tierwohl- und Umweltstandards erzeugt werde.

Landwirte fordern mehr Unterstützung

Der Präsident der Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Klaus-Peter Lucht, sagte am Donnerstagvormittag bei der Kundgebung vor dem Tagungshotel, Politik müsse begreifen, »dass wir als Landwirtschaft der Wirtschaftsmotor des ländlichen Raums sind«. Landwirte seien bereit für Veränderung und wollten den Weg mitgehen. »Aber dann muss die Politik auch bereit sein, uns dabei zu unterstützen.«

Er sei es leid, Spielball der Politik zu sein, sagte etwa Hans-Peter Goldnick vom Geflügelwirtschaftsverband Schleswig-Holstein bei einer Kundgebung. »Tierhaltung ist das Rückgrat der Landwirtschaft.« Er forderte die Minister auf, den Sachverstand des Berufsstandes anzuhören.

Mehr Unterstützung nicht nur aus den Landesregierungen der Küstenländer, sondern auch von Seiten Özdemirs können die Krabbenfischer bei ihrem Kampf gegen ein von der EU-Kommission geplantes Verbot von Grundschleppnetzen in Schutzgebieten rechnen. Die Situation der Krabbenfischer bewege ihn, sagte Özdemir in Büsum. Er habe in Brüssel deutlich gemacht, »dass wir als Bundesrepublik Deutschland die Ziele des Meeresschutzes, des Ozeanschutzes selbstverständlich unterstützen«. Aber es brauche ausgewogene Lösungen, um die Existenz der Fischer nicht zu gefährden. Ein pauschales Verbot der Fischerei mit Grundschleppnetzen könne nicht richtig sein und würde ein Ende der Krabbenfischerei hier bedeuten. Diese sei aber mehr als Fischerei und Tourismus. »Es ist auch Tradition, es ist auch Identität.«

© dpa-infocom, dpa:230323-99-60101/4