BONN. Die Deutsche Post wird die Produktion ihrer Streetscooter-Elektrotransporter noch im Laufe des Jahres 2020 komplett einstellen.
»Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt gesagt: Wir können nicht mehr warten. Wir müssen eine Entscheidung treffen«, sagte Konzernchef Frank Appel am Freitag in einer Telefonkonferenz. Im vergangenen Jahr habe der Streetscooter rund 100 Millionen Euro Verluste gemacht. »Das ist die logische Konsequenz«, begründete Appel den Schritt.
Über lange Zeit hatte die Post versucht, einen Käufer zu finden. »Wir haben immer gesagt, dass wir kein Autohersteller sein wollen«, sagte Appel. Neubestellungen soll es nun keine mehr geben. Die Auslieferung von Fahrzeugen werde sich noch bis ins nächste Jahr ziehen. Die letzten neu produzierten Fahrzeuge sind nur noch für den eigenen Bestand. Über bestehende Lieferverträge wolle man mit den Kunden »Gespräche in Bezug auf die Vertragserfüllung« führen. Kürzlich hatte Amazon der Post 40 Elektrotransporter abgekauft. In Zukunft soll der Streetscooter dann zur reinen Bestandsflotte umgebaut werden. Trotzdem wolle die Post ihre Flotte wie angekündigt weiterhin auf E-Antriebe umstellen.
Der Vorstand rechnet für 2020 mit einmaligen Aufwendungen von 300 bis 400 Millionen Euro. Was die Nachricht für die Streetscooter-Mitarbeiter bedeutet und wie viele es davon zurzeit überhaupt gibt, wollte der Konzernchef am Freitag nicht kommentieren. Gleiches gilt für die Produktionsstätten in Aachen und Düren.
»Das war abzusehen, dass das Ding nicht tragfähig ist«, sagte Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer der Deutschen Presse-Agentur. Mit Blick auf das Aachener Elektroauto-Start-up eGo fügte er hinzu: »Das wird den Investoren von eGo große Angst einjagen.« NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart bedauerte die Entscheidung hingegen: »Wir haben Streetscooter immer als ein NRW-Unternehmen gesehen, das mit innovativen Ideen gezeigt hat, dass Elektromobilität ein Zukunftsmarkt ist«, sagte er am Freitag. Die Landesregierung wolle den Prozess im Interesse der Beschäftigen eng begleiten.
Im Zuge der Neuigkeiten schränkte die Post auch ihr bisheriges Gewinnziel für den Gesamtkonzern ein: Das schon vor Jahren ausgegebene Ziel, den operativen Gewinn (Ebit) der Post bis 2020 auf mehr als fünf Milliarden Euro zu steigern, gilt nun nur noch mit zwei Einschränkungen. So lässt zum einen das Streetscooter-Aus die Zahlen schrumpfen, außerdem dämpft das grassierende Coronavirus die Erwartungen. Analysten hatten im Schnitt selbst ohne diese neuen Belastungen für 2020 nur mit einem operativen Gewinn von knapp 4,9 Milliarden Euro gerechnet.
Die Coronavirus-Krise bekommt die Post nach eigenen Angaben bisher deutlich bei DHL Express und im DHL-Frachtgeschäft vor allem bei Transporten von und nach China zu spüren. Im Monat Februar belaste dies das Ergebnis mit etwa 60 bis 70 Millionen Euro.
Die Bilanz für 2019 wollte die Post eigentlich erst im März vorstellen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen gab der Konzern nun jedoch bereits einige Kennziffern bekannt: Der Umsatz wuchs 2019 leicht auf 63,3 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis lag bei 4,13 Milliarden Euro. Damit verfehlte das Unternehmen leicht die Erwartungen von Analysten. Die vollständigen Jahreszahlen will die Post wie geplant am 10. März vorlegen.