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Neue Chefin des Startup-Verbands fordert »Kultur des Muts«

Sie ist Unternehmerin, Tech-Expertin und Mitbesitzerin eines Fußballklubs: Verena Pausder will die Abhängigkeit deutscher Start-ups vom Ausland mindern. Sie warnt vor Folgen für die Wirtschaft.

Verena Pausder
Verena Pausder ist die neue Vorsitzende des Startup-Verbands. Foto: Marijan Murat/DPA
Verena Pausder ist die neue Vorsitzende des Startup-Verbands.
Foto: Marijan Murat/DPA

Mehr Digitalisierung, mehr Geld für Gründer, mehr unternehmerischer Mut: Die neue Vorsitzende des Startup-Verbands, Verena Pausder, will den Gründerstandort Deutschland voranbringen und verhindern, dass Wachstumsfirmen abwandern. »Wir können nicht weiter zusehen, dass erfolgreiche Gründer bei großen Finanzierungsrunden auf Geld aus dem Ausland angewiesen sind und einige zum Börsengang in die USA gehen«, sagte Pausder der Deutschen Presse-Agentur. »Das ist ein Verlust für unsere Wirtschaft.«

Die hiesige Gründerbranche sei in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen, werde aber unterschätzt Die Branche beschäftige rund 400.000 Menschen und stehe mit einer Firmenbewertung von 172 Milliarden Euro für rund fünf Prozent der Wirtschaftsleistung, sagte Pausder. »2018 waren es weniger als ein Prozent. Es ist nicht «ganz nett», dass hier gegründet wird - das hat volkswirtschaftliches Gewicht und ist Innovationsmotor.«

Die deutsche Start-up-Branche hat in der Corona-Pandemie von einem Digitalisierungsschub und damals niedrigen Zinsen profitiert. Lieferdienste wie Gorillas und Finanzfirmen wie der Broker Trade Republic boomten. Die Zahl der Start-ups mit Milliarden-Bewertung hat sich seit 2018 auf 33 fast verfünffacht, darunter sind die Online-Bank N26, der Übersetzungsdienst DeepL und der Fernbusbetreiber Flix.

Mehr Wagniskapital für Gründer nötig

Doch beim Wagniskapital, mit dem sich Investoren an Start-ups beteiligen, hinkt Deutschland hinterher. Viele der Firmen kommen in der frühen Wachstumsphase an Geld, bei großen Finanzierungsrunden sind sie aber meist auf angelsächsische Anleger angewiesen. Investoren wie Versicherungen hierzulande schrecken vor Wagniskapital zurück und dürfen wegen strenger Anlagevorschriften kaum in dem Bereich investieren. Zum Börsengang zieht es erfolgreiche Firmen oft in die USA, ein Beispiel dafür ist der Corona-Impfstoffhersteller Biontech.

Die Anlagevorschriften für professionelle Investoren müssten gelockert werden, forderte Pausder. »Wir trauen der Anlageklasse Wagniskapital in Deutschland nicht.« Hierzulande werde 85 Euro pro Kopf in Wagniskapital investiert, in Frankreich seien es 107 und in Großbritannien 171 Euro. Zudem erschwere die mangelnde Digitalisierung der Verwaltung das Gründen. »Hier ist am meisten zu tun«, monierte die 44-jährige. »Ich fordere kein Staatsgeld, der Staat muss ein stärkeres Eigeninteresse daran entwickeln, dass Unternehmen gründen, an die Börse gehen und Jobs schaffen.«

»Müssen mehr über Erfolge sprechen.«

Nötig sei auch eine »Kultur des Muts« in Deutschland, sagte Pausder. »Die Negativität, wie wir auf dieses Land schauen, wie angeblich alles den Bach runter geht, stört mich. Wen motiviert das? Wer soll hier gründen?« Man müsse mehr über Erfolge sprechen, »über den kenianischen Software-Entwickler, der hier arbeitet, anstatt über die Leute, die wir nicht hier haben wollen.« Start-ups und die ganze Wirtschaft bräuchten ausländische Fachkräfte. »Ein Fünftel der Beschäftigten von Berliner Start-ups kommt von außerhalb Europas.«

Pausder, die am Dienstag an die Verbandsspitze gewählt wurde, hat sich als Unternehmerin und Gründerin einen Namen gemacht. Zudem engagiert sie sich im Sport: Im Jahr 2022 übernahm Pausder mit fünf Co-Gründerinnen die Frauenmannschaft des FC Viktoria Berlin. In der Pandemie setzte sie sich für mehr Digitalisierung in Schulen ein. Zuletzt kämpfte sie gegen niedrigere Einkommensgrenzen für den Bezug von Elterngeld.

© dpa-infocom, dpa:231209-99-233546/2