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Licht und Schatten nach einem Jahr Verbot des Kükentötens

Vor einem Jahr trat das Gesetz gegen das Töten männlicher Küken in Kraft. Richtig zufrieden sind weder Tierschützer noch die Geflügelwirtschaft. Nachbesserungen werden gefordert.

Küken
Männliche Küken sitzen in einem Korb. Foto: Bernd Wüstneck
Männliche Küken sitzen in einem Korb.
Foto: Bernd Wüstneck

Seit dem 1. Januar 2022 ist in Deutschland das Töten von Küken gesetzlich verboten. Bis zu diesem Datum wurden in deutschen Brütereien jährlich fast 45 Millionen männliche Küken getötet, da sie weder für die Eierproduktion noch als Masthühner nutzbar sind.

»Dass die Vergasung von 45 Millionen Küken pro Jahr gestoppt wurde, war lange überfällig«, sagt dazu eine Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes. Nachbesserungsbedarf sehen aber sowohl Tierschützer als auch die Geflügelbranche.

Um welche Hühner geht es?

Es geht nicht um die Fleischerzeugung, also die Mast von Geflügel, sondern ausschließlich um die Eierproduktion. Legehennen sind darauf gezüchtet, langsam Fleisch anzusetzen und viele Eier zu legen. Die männlichen Tiere, ihre Brüder, legen keine Eier, setzen aber ebenfalls nur wenig Fleisch an. In diesem Zusammenhang hinterfragt der Tierschutzbund das gesamte System der Hochleistungszucht sowohl für die Mast als auch für die Eierproduktion kritisch. Aus Tierwohlsicht wäre die Hinwendung zu Zweinutzungsrassen sinnvoll, auch wenn sie nicht ganz so viel Fleisch ansetzen oder so viele Eier legen wie ihre hoch spezialisierten Artgenossen. Dann würde das Problem eines wirtschaftlich wertlosen männlichen Geschlechts gar nicht erst auftauchen.

Sind inzwischen alle Eier unter dem Verbot des Kükentötens produziert?

Das Verbot gilt nicht europaweit. Der Import von Legehennen nach Deutschland, deren Brüder getötet wurden, ist nach wie vor legal. Das heißt, Eierproduzenten können das deutsche Kükentötungsverbot durch Einkauf von Tieren im Ausland umgehen. Auch der Import von Eiern aus dem Ausland ist ohne Einschränkung möglich.

»Insbesondere in verarbeiteten Produkten werden sowohl viele Eier aus einer Produktion mit Kükentöten als auch Eier aus Käfighaltung eingesetzt«, sagt Dietmar Tepe vom Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT) in Bonn. Die auch vom Deutschen Tierschutzbund mitgetragene privatwirtschaftliche Organisation ist vor allem bekannt für die Rückverfolgung und Herkunftssicherung von Eiern und Eierprodukten. Zumindest für die von KAT zertifizierten Eier könne garantiert werden, dass sie komplett ohne Kükentöten erzeugt werden, betont Tepe.

Wo gilt inzwischen ein Kükentötungsverbot?

Dem Deutschen Tierschutzbund zufolge haben auch Frankreich, Luxemburg, Italien, Österreich und die Schweiz Verbote schon umgesetzt oder geplant. Im vergangenen Herbst wurde eine Initiative für ein EU-weites Verbot des Kükentötens auf den Weg gebracht. Sowohl Tierschützer als auch die Geflügelwirtschaft weisen auf die wettbewerbsverzerrenden Effekte der uneinheitlichen Gesetzeslage hin.

Warum ist aus Sicht der Geflügelwirtschaft die Bruderhahnhaltung ein Misserfolg?

Einen Markt für dieses Fleisch gebe es so gut wie gar nicht, sagt der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otte Ripke. Diese so genannte Bruderhahnmast ist also aus Sicht der Eiererzeuger bislang unwirtschaftlich. Die Mehrkosten müssen über den Verkaufspreis der Eier querfinanziert werden. Angesichts der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage haben es ohne Kükentötung produzierte Eier damit schwerer auf dem Markt als die günstigeren Eier, für die noch Küken getötet werden.

Was kritisieren Tierschützer an der Bruderhahnmast?

Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes fehlen spezielle Regelungen zur Aufzucht der männlichen Tiere, die sich körperlich und mit Blick auf ihr Verhalten deutlich von den Masthähnchen unterscheiden. Die Bruderhähne würden so kostengünstig wie möglich aufgezogen, ohne dass man dabei ihren Bedürfnissen gerecht werde, erklärte eine Sprecherin des Verbandes.

Probleme sehen die Tierschützer auch darin, dass die Tiere wegen knapper Stallkapazitäten oft im Ausland - in Polen und Ungarn - gehalten werden, wo deutsche Gesetze nicht greifen und das Schicksal der Bruderhähne nicht weiter verfolgt werden könne. Auch die Schlachtung müsse aus Kapazitätsgründen in vielen Fällen im Ausland erfolgen, was für die Tiere eine erhebliche Belastung darstelle.

Wie kann das Geschlecht vor dem Schlüpfen im Ei bestimmt werden?

Es gibt verschiedene Verfahren. Die Geschlechtsunterscheidung erfolgt zum Teil anhand der Federfarbe. Dazu wird das Ei mit einem starken Licht durchleuchtet. Andere Bestimmungssysteme nutzen ein Verfahren, das auf der Magnetresonanztomographie beruht. Für andere Verfahren muss minimalinvasiv eine Flüssigkeitsprobe aus dem Ei entnommen werden. Für ein weiteres Verfahren wird das Ei geöffnet und die Eiermembran mit einem Massenspektrometer abgetastet.

Alle diese Methoden liefern erst Ergebnisse ab dem 9. oder 13. Tag des Brütens. Verfahren, die schon früher Ergebnisse liefern, sind noch in der Entwicklung und noch nicht marktreif. Ein Ei muss vom Legen bis zum Schlüpfen des Kükens 21 Tage lang bebrütet werden.

Was kritisieren Tierschützer an der Geschlechtsbestimmung im Ei?

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bereits ab dem 7. Bruttag Küken Schmerzen empfinden, heißt es vom Tierschutzbund. Da alle derzeit bestehenden Verfahren erst nach dem 7. Bruttag Ergebnisse liefern, sei die Geschlechtsbestimmung im Ei keine tierschutzgerechte Lösung. Im nächsten Jahr soll eine Verschärfung in Kraft treten und die Eierselektion ab dem 7. Tag des Brütens verboten werden.

© dpa-infocom, dpa:230119-99-274971/2