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Heil will nach Fleischindustrie andere Branchen prüfen

Die Corona-Krise brachte die Zustände in Teilen der Fleischindustrie erneut ans Licht. Gesetzesverschärfungen stehen kurz bevor. Doch sind sie rechtens - und wird es dabei bleiben?

BERLIN. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will nach den nun geplanten strengen Vorschriften gegen Missstände in der Fleischindustrie auch andere Branchen überprüfen. »Wir werden uns Branche für Branche angucken und dann für die jeweilige Branche geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn es nötig ist«, sagte Heil  in Berlin. Deutschlands Arbeitgeber warnen bereits davor, Werkverträge allgemein einzuschränken.

Nach dem massenhaften Corona-Ausbruch beim Fleischriesen Tönnies in Nordrhein-Westfalen will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch ein Gesetz von Heil beschließen. Großschlachtereien sollen bei Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung kein Fremdpersonal mehr einsetzen dürfen. Dazu soll der Einsatz von Werkvertrags- sowie Leiharbeitnehmern dort verboten werden.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte: »Finger weg von einer allgemeinen Einschränkung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung, wenn man nicht die Wirtschaft völlig abwürgen will.« Werkverträge seien zum Beispiel für weite Bereiche des Handwerks, der Bauindustrie und des Anlagenbaus zwingend die Grundlage für ihre Wertschöpfung beim Kunden. »Die Verfehlungen Einzelner können nicht ein derart wichtiges Instrument zerstören.«

Heil versicherte: »Mein Ziel ist nicht, Werkverträge überall in der deutschen Wirtschaft zu verbieten.« Werkverträge seien sinnvoll. »Wenn ein Industriebetrieb einen Handwerker beauftragt, eine Sicherheitsanlage einzubauen, ist das ein ganz normaler Werkvertrag.«

Die deutsche Fleischwirtschaft hält ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit allein in ihrer Branche für verfassungswidrig. Es sei nicht erklärbar, warum beim Portionieren und Verpacken von Käse künftig anderes Arbeitsrecht gelten solle als bei Wurst, heißt es in einer Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben, wie die »Neue Osnabrücker Zeitung« (Samstag) berichtet. Bei einem Verbot würde demnach der Verbraucherpreis um 10 bis 20 Prozent je Kilo und Produkt steigen.

Vielfach osteuropäische Beschäftigte aus Werkvertragsunternehmen arbeiteten in der Branche nach den Ergebnissen einer Prüfung der NRW-Arbeitsschutzverwaltung teils 16 Stunden am Tag. Häufig hatten sie keine Pause. Lohn wurde für Schutzausrüstung oder Miete einbehalten. Festgestellt wurde auch, dass die Situation bei der Unterkunft von Beschäftigten oft miserabel war.

Heil sagte, für die Fleischbranche sei bereits 2017 ein relativ scharfes Gesetz in Kraft getreten. Durch »trickreiche Konstruktionen« seien diese aber umgangen worden. »Jetzt muss grundlegend aufgeräumt werden.«

Der Politiker kündigte an: »Im Arbeitsschutzgesetz, das wir Ende Juli im Kabinett beschließen wollen, sind auch Maßnahmen, die nicht nur die Fleischbranche betreffen - zum Beispiel höhere Prüfquoten beim Arbeitsschutz oder klare Kriterien für Gemeinschaftsunterkünfte.« Der der dpa vorliegende Entwurf umfasst Änderungen des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft sowie des Arbeitsschutzgesetzes.

Brandenburgs Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hält intensivere Kontrollen für nötig. »Ich würde mir wünschen, dass wir in vielen Aufsichtsbereichen noch mehr Kontrollen machen können: Lebensmittelkontrollen, Tierschutz, alles Mögliche, beispielsweise auch Tiertransporte«, sagte Nonnemacher am Sonntag in der RBB-Sendung »Brandenburg aktuell«. Doch für mehr Kontrollen seien auch mehr Personalstellen nötig. (dpa)

Gutachten aus NRW

Eckpunkte BMAS Arbeitsschutzprogramm Fleischwirtschaft Mai