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Handwerk fordert Taten statt »Fensterreden«

Zu viel Bürokratie und zu wenig Fachkräfte bremsen die deutsche Wirtschaft. Der Vizekanzler und der Handwerkspräsident sind sich darin einig, setzen aber unterschiedliche Akzente.

Jörg Dittrich
ZDH-Präsident Jörg Dittrich spricht bei der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse (IHM). Foto: Sven Hoppe/DPA
ZDH-Präsident Jörg Dittrich spricht bei der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse (IHM).
Foto: Sven Hoppe/DPA

Handwerkspräsident Jörg Dittrich hat von der Bundesregierung mehr Taten statt Worte gefordert. Die Regierung müsse Bürokratie abbauen, Steuern senken und den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig machen: »Wir brauchen keine Fensterreden mehr, wir brauchen Handeln«, sagte Dittrich zum Auftakt der Internationalen Handwerksmesse in München. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, die Regierung müsse ihre Hausaufgaben zügig machen. »Die konjunkturelle Lage ist herausfordernd.«

Die größte Herausforderung sehe er im Arbeitskräftemangel: Er drohe zu einer Wachstumsbremse zu werden, sagte der Vizekanzler in seiner Eröffnungsrede. In Deutschland gebe es inzwischen 1,4 Millionen Menschen im Alter von 20 und 30 Jahren ohne qualifizierenden Berufsabschluss. »Die ökonomische Hauptaufgabe ist, Menschen in Arbeit zu bringen.« Habeck räumte auch ein: »Es gibt viel zu viele Vorschriften. Wir müssen es hinbekommen, es einfacher, schlanker pragmatischer zu machen.« Dabei müssten jedoch alle mitziehen. 

Bürokratieabbau gefordert

Dittrich sagte, das Handwerk erwarte jetzt Taten, »nicht nur Verständnis«. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft und im Handwerk sei schlecht. In vielen Betrieben leerten sich die Auftragsbücher. Investitionen würden ausgebremst. Es fehle an politischer Verlässlichkeit. Die Bundesregierung müsse handeln, wo sie es selbst in der Hand habe: »Die Bürokratie liegt nicht an Russland oder Putin«, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).  

Bei einer aktuellen Betriebsumfrage des ZDH beklagten die Unternehmen in erster Linie hohe Steuern und Abgaben und zu viele Dokumentations- und Nachweispflichten. Danach folgen Fachkräftemangel und hohe Energiepreise. 

Mit Blick auf 20 000 unbesetzte Ausbildungsstellen forderte Dittrich auch eine Wende in der Bildungspolitik, um nichtakademischen Bildungs- und Berufswegen mehr gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen. Gegen den Fachkräftemangel brauche es außerdem »qualifizierte und leistungsbereite Zuwanderung«, sagte Dittrich: »Alle, die leistungsbereit sind, sind im Handwerk willkommen.«

Der ZDH fordert eine flächendeckende Berufsorientierung bundesweit an allen Schulformen inklusive der Gymnasien. Habeck bekam bei der Messeeröffnung großen Beifall für seine Ankündigung, dafür zu werben, dass künftig alle Bundesländer einen Tag des Handwerks auch in Gymnasien veranstalten. 

Wie steht es um die Energieversorgung?

Eine andere Sorge, die nicht nur dem Handwerk auf der Seele brennt, ist laut Dittrich eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Darüber kam es bei einem Forum bei der Messeeröffnung zu einem Schlagabtausch zwischen Habeck und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder: Der CSU-Vorsitzende kritisierte das Aus für die deutschen Atomkraftwerke als unvernünftig und verwies auf den Ausbau der Atomkraft in anderen europäischen Ländern. Habeck sagte, Atomstrom sei viel zu teuer. Der Gaspreis in Deutschland sei jetzt wieder auf dem Niveau vor dem Ukraine-Krieg. Unternehmen könnten für ihre Energieversorgung auch mehr Solardächer und Windräder auf ihrem Betriebsgelände errichten.  

In Deutschland gibt es eine Million Handwerksbetriebe mit rund 5,7 Millionen Beschäftigten und 350 000 Auszubildenden. Sie haben im Jahr 2022 rund 735 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet.

© dpa-infocom, dpa:240228-99-149618/5