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Habecks Vorsorgeplan zu Verringerung der Energieabhängigkeit

Klimaschutzminister Habeck will die deutsche Energiepolitik grundlegend ändern. Das Ziel ist Energie-Souveränität. Es ist ein langer Weg.

Erdgaspeicher
Die Anlage des Erdgasspeichers der Astora GmbH in Rehden, der größte Speicher in Westeuropa. Die Astora GmbH ist eine Tochtergesellschaft des russischen Energiekonzerns Gazprom. Foto: Mohssen Assanimoghaddam
Die Anlage des Erdgasspeichers der Astora GmbH in Rehden, der größte Speicher in Westeuropa. Die Astora GmbH ist eine Tochtergesellschaft des russischen Energiekonzerns Gazprom.
Foto: Mohssen Assanimoghaddam

Dieser Winter ist eine Zäsur. Schon vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben die drastisch gestiegenen Energiepreise einen Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik ausgelöst.

Nach den dramatischen Ereignissen in der Ukraine legte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) nun ein Papier mit konkreten Maßnahmen vor, um kurz- und mittelfristig die Krisenvorsorge zu stärken.

Das Ziel: Die hohe Abhängigkeit von russischen Importen bei fossilen Energieträgern zu überwinden. Das Motto: Energiepolitik ist auch Sicherheitspolitik. Es geht um Gas, Öl und Kohle. Eine Debatte entbrannt ist um den geplanten Atom- und Kohleausstieg.

Aufbau einer Gasreserve

In Deutschland gibt es eine strategische Ölreserve, die laut Papier Erdöl und Erdölerzeugnisse in Höhe der in einem Zeitraum von 90 Tagen nach Deutschland eingeführten Mengen vorhält. Mit Ottokraftstoff, Dieselkraftstoff, Heizöl und Flugturbinenkraftstoff werden demnach die wichtigsten energetisch genutzten Erdölerzeugnisse unmittelbar vorgehalten. Eine solche Reserve gibt es beim Gas nicht, das soll sich aber ändern - vor dem Hintergrund dieses Winters: Laut Papier hat Russland seit November nur noch Langfrist-Verträge bedient, dies habe zu etwa 30 Prozent geringeren Gasimporten aus Russland geführt. Die Folge seien hohe Preise beim Gas gewesen.

Die Gasspeicher waren in diesem Winter zeitweise vergleichsweise gering gefüllt. Hintergrund war unter anderem, dass Russlands Staatskonzern Gazprom seine Gasspeicher in Deutschland nicht mehr auffüllt. Das Wirtschaftsministerium griff über sogenannte Long Term Options ein: Dadurch wurden zusätzliche Kapazitäten am Markt beschafft, um die Speicherstände zu stabilisieren.

Das soll sich nicht wiederholen. Habeck will die Eigentümer der Gasspeicher dazu verpflichten, bestimmte Füllständen einzuhalten, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Im Papier heißt es, faktisch sei dies eine Gasreserve, die von den Marktakteuren gesichert werden müsse.

Aufbau einer Kohlereserve

Der Anteil der Kohle aus Russland liegt bei rund 50 Prozent, diese wird zur Verstromung in den Steinkohlekraftwerken eingesetzt. Auch bei der Kohle soll es nach den Plänen Habecks eine Diversifizierung der Lieferungen und Verringerung der Importabhängigkeit geben. Gemeinsam mit den Kraftwerksbetreibern soll nun die Beschaffung und Reservebildung bei Kohle vorangetrieben werden.

Aufbau eines LNG-Terminals

Zwar gibt es in der EU viele Terminals für Flüssigerdgas (LNG), das etwa aus den USA oder Katar kommt. Habeck will aber den Bau eines eigenen deutschen Terminals vorantreiben. Die Gasbranche kritisiert, bisher seien die Investitionsrahmenbedingungen schwierig. Im Papier des Ministerium heißt es, es sei eine finanzielle staatliche Unterstützung zu prüfen. Die Anlage, die LNG verflüssigt speichere und bei Bedarf in gasförmiges Erdgas umwandele, müsse so gebaut werden, dass sie »wasserstoffready« sei. Das bedeutet, dass die Anlage künftig auch genutzt werden kann, um klimafreundlichen Wasserstoff umzuschlagen. Allerdings: LNG ist teurer als russisches Erdgas.

Ausbau des Ökostroms

Es ist die zentrale Aufgabe - und die schwierigste: Dreh- und Angelpunkt bei den Bemühungen, unabhängiger zu werden von russischen Importen, ist der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne. Das aber dauert Jahre und es gibt viele Hemmnisse, die Habeck nun abbauen will. Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte: »Wir zahlen derzeit den Preis für die verschleppte Energiewende.« Deutschland könne viel weiter sein beim Ausbau der erneuerbaren Energien, die preissenkend wirkten.

Debatte um Atom- und Kohleausstieg

Drei Atomkraftwerke in Deutschland liefern bis Ende 2022 noch Strom, dann sollen sie vom Netz gehen und der Atomausstieg soll vollendet werden. Auch der Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung hat mit der Stilllegung von Kohlekraftwerken begonnen - schrittweise ist er bisher bis spätestens 2038 geplant. Die Ampel-Koalition will ihn »idealerweise« auf 2030 vorziehen. Das hängt aber auch davon ab, ob ein schnellerer Ausbau des Ökostroms und der geplante Bau neuer Gaskraftwerke gelingt.

Vor allem in ostdeutschen Ländern mit Braunkohlerevieren ist ein früherer Kohleausstieg umstritten. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dem RBB vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, man müsse sich Gedanken machen, ob die Zeitschiene für den Kohleausstieg 2030 real sei. Es gehe darum, eine möglichst große Unabhängigkeit in der Energieversorgung zu erreichen, und um vernünftige Energiepreise. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der »Sächsischen Zeitung«, die Ausstiegsbeschlüsse zu Kohle oder Atomkraft müssten neu diskutiert werden. Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) forderte, die Stilllegungen der letzten Atomkraftwerke müssten zurückgestellt werden.

Aus dem Habeck-Ministerium kommen aber bisher keine Signale, das Ziel eines früheren Kohleausstiegs aufzugeben. In dem Papier heißt es, die beste mittelfristige Antwort auf die Importabhängigkeit von Russland sei der Ausstieg aus der Kohle, der schrittweise bis 2030 erfolge. Auch zum Atomausstieg gibt es keine Signale aus der Bundesregierung, den Zeitplan zu ändern.

Aus Sicht von Greenpeace würde es auch keinen Sinn machen, Atom- und Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen. »Erdgas wird überwiegend in privaten Heizkesseln verbrannt, Atom- oder Kohlestrom sind hier kein Ersatz«, erklärte Gerald Neubauer, Energieexperte bei der Umweltorganisation. Stattdessen brauche es eine Offensive für erneuerbare Wärmeenergie und bessere Dämmung von Häusern.

© dpa-infocom, dpa:220225-99-287161/2