San Francisco (dpa) - Im ersten US-Prozess um angeblich verschleierte Krebsgefahren glyphosathaltiger Unkrautvernichter hat Bayer trotz einer voraussichtlich geringeren Strafe als angenommen Berufung angekündigt.
Die zuständige Richterin Suzanne Ramos Bolanos wies am Montag (Ortszeit) zwar einen Antrag der Bayer-Tochter Monsanto auf einen neuen Prozess ab, will die in einem früheren Urteil verhängten Schadenersatzzahlungen für den Saatguthersteller aber stark senken.
Am frühen Dienstagmorgen deutscher Zeit kündigte Bayer an, gegen das revidierte Schadenersatzurteil Berufung einzulegen. Die deutliche Reduzierung des Strafschadenersatzes durch das Gericht sei »ein Schritt in die richtige Richtung«, doch sei Bayer nach wie vor überzeugt, dass das Urteil im Widerspruch zu den im Prozess vorgelegten Beweisen stehe, teilte der Dax-Konzern am Dienstag in Leverkusen mit.
Aus dem Gerichtsdokument geht hervor, dass die Richterin statt der im August von einer Geschworenenjury in San Francisco beschlossenen insgesamt 289 Millionen Dollar eine Entschädigung von lediglich 78 Millionen Dollar (68 Mio Euro) für angemessen hält. Falls der Kläger sich mit der geringeren Summe begnüge, werde der Prozess nicht neu aufgerollt. Monsanto hatte gegen das Urteil der Jury Berufung eingelegt und wegen unzureichender Beweise gefordert, dass der Fall neu verhandelt wird.
Wie es jetzt weitergeht, liegt nach der Entscheidung der Richterin maßgeblich am erkrankten Kläger Dewayne »Lee« Johnson, der Monsanto-Unkrautvernichter wie Roundup und Ranger Pro für seinen Lymphdrüsenkrebs verantwortlich macht. Er muss bis 7. Dezember mitteilen, ob er weniger Schadenersatz akzeptiert. Johnson dürfte nach Einschätzung seiner Ärzte wegen der Krebskrankheit nicht mehr lange leben, deshalb hatte er in Kalifornien Anrecht auf einen schnelleren Prozessbeginn. In den USA laufen Tausende weiterer Klagen wegen möglicher Erkrankungen durch Glyphosat gegen Monsanto.
Bereits in der vorvergangenen Woche hatte Richterin Bolanos in einer vorläufigen Entscheidung angekündigt, die Schadenersatzzahlung senken zu wollen. Die Jury hatte weitgehend der Klägerseite zugestimmt und es nicht nur als erwiesen angesehen, dass Monsantos Produkte Krebs verursachen, sondern auch, dass der Hersteller vor den Risiken nicht ausreichend gewarnt und dabei sogar vorsätzlich gehandelt habe. Die Richterin empfand jedoch insbesondere den sogenannten Strafschadenersatz von 250 Millionen Dollar - der Großteil der zunächst verhängten Gesamtzahlung - als zu hoch.
Ob Monsantos Verkaufsschlager Roundup Krebs verursacht, ist hoch umstritten. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte den Unkrautvernichter 2015 als »wahrscheinlich krebserregend« für Menschen ein. Monsanto und Bayer weisen dies vehement zurück und verweisen auf »mehr als 800 wissenschaftliche Studien, die US-Umweltbehörde EPA, die Nationalen Gesundheitsinstitute und Aufseher weltweit«, die den Unternehmen zufolge besagen, dass Glyphosat keine Krebsrisiken birgt.
Für Monsantos Konzernmutter Bayer, die den US-Saatgutriesen mit Sitz in St. Louis erst Mitte des Jahres für rund 63 Milliarden Dollar übernommen hatte, ist die Entscheidung des Gerichts von enormer Bedeutung. Denn in den USA laufen rund 8700 Klagen wegen möglicher Erkrankungen durch Glyphosat gegen Monsanto. Bayer muss sich nun mit ihnen auseinandersetzen. Der Fall Johnson ist besonders brisant, da es sich um das erste Urteil handelt, das richtungsweisend für die zahlreichen weiteren Klagen sein könnte.