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Gerry Weber muss schon wieder saniert werden

Das Filialnetz von Gerry Weber soll ausgedünnt werden. Wie viele Arbeitsplätze dabei verloren gehen werden, ist noch offen. Doch auch den Eigentümern drohen schmerzhafte Schnitte.

Gerry Weber
Eine Passantin vor einer Filiale des Modeherstellers Gerry Weber in Köln: Der Modeherstaeeler will zurück aus Kurs. Foto: Oliver Berg
Eine Passantin vor einer Filiale des Modeherstellers Gerry Weber in Köln: Der Modeherstaeeler will zurück aus Kurs.
Foto: Oliver Berg

Erst gut drei Jahre ist es her, dass sich der Modehersteller Gerry Weber mithilfe eines Insolvenzverfahrens vor dem Aus retten musste. Jetzt steckt der bekannte Bekleidungshersteller aus Halle in Westfalen wieder in der Krise. Um sich zu sanieren, plant das Unternehmen deutliche Einschnitte im Filialnetz und einen Stellenabbau in noch unbekannter Höhe, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte.

»Das Sanierungsvorhaben ist eine notwendige Reaktion auf die äußeren Umstände«, sagte die Chefin von Gerry Weber International, Angelika Schindler-Obenhaus. Die Corona-Krise und das durch die hohe Inflation und die sinkende Kaufkraft veränderte Kundenverhalten hätten den Modehersteller hart getroffen. Viele Läden seien nach Corona nicht mehr profitabel zu betreiben.

149 Läden und 28 Outlets

Bei seinen Sanierungsbemühungen geht das Modeunternehmen diesmal allerdings einen bislang in Deutschland selten genutzten Weg. Die Gerry Weber International AG beantragte beim Essener Amtsgericht die Einleitung eines Verfahrens nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Ziel des StaRUG-Verfahrens ist es, dass Unternehmer ihren Betrieb sanieren können, ohne ein Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen. »Teil des Vorhabens soll ein vollständiger Kapitalschnitt sein, wodurch auch die Börsennotierung der Aktie der Gerry Weber International AG erlöschen würde«, hieß es in der Mitteilung.

Ganz kommt der Modehersteller aber auch diesmal nicht um ein Insolvenzverfahren herum. Die Gerry Weber Retail GmbH, in der das deutsche Einzelhandelsgeschäft mit seinen derzeit noch 149 Läden und 28 Outlet-Stores zusammengefasst ist, soll mithilfe eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung restrukturiert werden.

Das Einzelhandelsgeschäft müsse insgesamt neu ausgerichtet werden, sagte Schindler-Obenhaus. »Hierfür wollen wir das Filialnetz der Zukunft bauen. Denn wir glauben fest an die Filiale. Gleichzeitig müssen wir heute jeden Quadratmeter Fläche auf den Prüfstand stellen«, sagte die Managerin. Bis Ende Juni werde feststehen, welche Filialen eine Zukunft hätten, hieß es. Wie viele Läden im Zuge der Sanierung geschlossen werden müssten, hänge auch von der Verhandlungsbereitschaft der Vermieter ab.

E-Commerce stärken

Gerry Weber will sich nach ihren Worten künftig auf »den gesunden Kern« konzentrieren und das erfolgreiche Großhandelsgeschäft, den E-Commerce und das Auslandsgeschäft weiter stärken. Diese Bereiche seien von den Sanierungsmaßnahmen deshalb auch nicht betroffen, sagte Finanzvorstand Florian Frank. Die Lieferfähigkeit bleibe vollständig gewährleistet und auch der Geschäftsbetrieb laufe in vollem Umfang weiter.

Gerry Weber steht mit seinen aktuellen Problemen nicht allein. Zahlreiche Modeanbieter in Deutschland kämpfen derzeit ums Überleben - darunter auch viele bekannte Namen. Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof suchte bereits Ende vergangenen Jahres Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Der Modehändler Peek & Cloppenburg KG Düsseldorf (P&C) folgte im März. Der Schuhhändler Görtz hatte diesen Schritt bereits im September getan. Der Wettbewerber Reno musste erst vor wenigen Wochen einen Insolvenzantrag stellen.

© dpa-infocom, dpa:230419-99-374175/2