Wolfsburg/San Francisco (dpa) - Volkswagen verdächtigt den früheren FBI-Chef Louis Freeh des Geheimnisverrats und will dessen Berufung zum Gutachter in Schadenersatz-Prozessen in den USA vereiteln.
Der ehemalige Leiter der amerikanischen Bundespolizei arbeitet nach seiner Karriere im öffentlichen Dienst als juristischer Vermittler in Wirtschaftsskandalen - bei VW hatte er Anfang 2016 Aussicht auf einen Beratervertrag und sollte in der Aufklärung der Dieselaffäre helfen. Doch dazu kam es nicht. Nun ist Freeh für Anwälte privater Kläger tätig. Der Vorwurf der Wolfsburger: Er soll interne Informationen des Managements an diese weitergegeben oder gar verkauft haben, wie das Online-Wirtschaftsmagazin »Business Insider« am Mittwoch berichtete.
Bei Volkswagen hieß es, man lehne Freeh als hinzugezogenen Experten bei Diesel-Klagen in den Vereinigten Staaten ab. Ein entsprechender Antrag sei bei einem Gericht in San Francisco eingereicht worden. Es gebe klare Hinweise, die darauf schließen ließen, dass er seine derzeitigen Auftraggeber mit vertraulichen Unterlagen und Aussagen aus der Zeit der Verhandlungen mit dem deutschen Konzern versorgt habe.
Eigentlich sind die wesentlichen Prozesse rund um »Dieselgate« in den USA inzwischen abgeräumt. Nach einem auch strafrechtlich relevanten Schuldeingeständnis wegen des Abgasbetrugs hatte sich VW Anfang 2017 mit der Regierung in Washington auf einen Milliardenvergleich verständigt. Auch zahlreiche Kunden und Händler wurden - anders als in Europa - entschädigt, der Konzern verbuchte mittlerweile mehr als 30 Milliarden Euro an Rechtskosten. Doch es gibt weiterhin einzelne Verbraucher, die klagen - ähnlich wie in Deutschland, wo etliche Kunden wieder vom allgemeinen Musterverfahren gegen VW absprangen.
Im Falle Freehs als Gutachter sehen die Wolfsburger allerdings einen schwerwiegenden Interessenkonflikt. Denn der Ex-Staatsanwalt, der nun die Klägerseite vertritt, war im Januar 2016 aufgrund von hohen Honorarforderungen und nach Widerstand aus dem Betriebsrat bei VW durchgefallen. Einer seiner Anwälte sagte dem Magazin, man sitze an einer Erwiderung zum VW-Antrag, Freeh nicht als Gutachter zuzulassen.
Der heute 70-Jährige - während der Amtszeit Bill Clintons als US-Präsident (1993 bis 2001) Direktor des FBI - war auch schon als »Aufpasser« von US-Behörden nach einer Schmiergeldaffäre bei Daimler aktiv und saß dort in einem »Integritätsbeirat«. Beim Konkurrenten Volkswagen wacht dagegen Larry Thompson, einst Staatssekretär im US-Justizministerium, über die Umsetzung schärferer Verhaltensregeln und Informationspflichten, zu denen sich der Autohersteller nach dem Auffliegen des Dieselskandals bereiterklärt hatte. Thompson stellte VW im vergangenen September ein verbessertes Zwischenzeugnis aus, im Sommer soll sein Abschlussbericht folgen.