Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will heute mit der Autobranche über den weiteren Ausbau der Elektromobilität auf deutschen Straßen beraten. Zu dem Spitzentreffen in Berlin werden Vertreter von Herstellern und Zulieferern, Gewerkschaften und Betriebsräten sowie auch von Energiebranche, Wissenschaft und Umweltverbänden erwartet. Thema des Austauschs soll sein, wie das Ziel von 15 Millionen Elektro-Pkw bis 2030 zu erreichen und ein weiterer Markthochlauf batteriegetriebener Modelle zu unterstützen ist.
Die Bundesregierung hatte vorab deutlich gemacht, dass E-Fahrzeuge konkurrenzfähig sein und den Durchbruch auf dem Markt schaffen sollten. Im Blick stehen dafür auch die Reichweiten und günstigere Preise. Derzeit sind in Deutschland gut eine Million reine Elektro-Autos zugelassen - bei insgesamt mehr als 48 Millionen Pkw.
Kaum neue E-Autos für unter 30.000 Euro
Viele hielten sich bei E-Autos noch zurück, erläuterte der ADAC. »Unsicherheiten über schwankende Strompreise, kaum bezahlbare Fahrzeuge, lange Lieferzeiten und teils fehlende Lademöglichkeiten tragen dazu bei.« In Deutschland bekomme die Kundschaft nur drei Modelle für weniger als 30.000 Euro, kritisierte der Club, der Millionen Autofahrerinnen und -fahrer vertritt.
Das stört auch den ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland. Die deutschen Hersteller müssten mehr kleine E-Autos anbieten, verlangte er. »Noch immer ruhen sich die Konzerne auf E-Boliden im SUV- und Luxussegment aus.« Ähnlich äußerte sich die Umweltorganisation BUND. Für Normalverdiener erschwingliche Fahrzeuge mit geringem Energie- und Ressourcenbedarf kämen zu langsam auf den Markt, sagte Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Hier ist die Bundespolitik gefordert und muss mit regulatorischen Maßnahmen steuernd eingreifen.«
Wer ein reines E-Auto für die private Nutzung kauft oder least, kann einen Umweltbonus von Staat und Herstellern bekommen. Dieses Jahr beträgt die Förderung noch bis zu 6750 Euro, nächstes Jahr bis zu 4500 Euro. Der ADAC rief dazu auf, die Förderung trotz Haushaltslücken fortzusetzen. Das Wirtschaftsministerium wies unterdessen darauf hin, dass sich der Markt am Ende natürlich selbst tragen müsse. Staatliche Kaufprämien als Anschubfinanzierung seien immer so konzipiert worden, dass sie allmählich auslaufen.
Klimazuschlag für Verbrenner?
Der Präsident des Umweltbundesamts (UBA), Dirk Messner, sprach sich für eine Reform der Kfz-Steuer aus. »Klimaschädliche Pkw sollten künftig bei der Neuzulassung mit einem Klimazuschlag belegt werden. Dadurch werden klimaschonende Pkw attraktiver«, sagte Messner am Wochenende der Deutschen Presse-Agentur. »Das eingenommene Geld kann beispielsweise für Kaufprämien für E-Pkw eingesetzt werden und muss dann nicht aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen.«
Ähnliches forderte die Umweltorganisation Greenpeace. Sie legte eine von ihr in Auftrag gegebene Studie vor: Wenn der Öl-Verbrauch im Straßenverkehr in Deutschland weiter so langsam sinke wie seit 2000, würde dieser klimaschädliche Energieträger demnach erst im Jahr 2120 von der Straße verschwinden.
Hilfreich wäre dem UBA-Chef zufolge auch, das private Fahren mit dem Dienstwagen nicht mehr steuerlich zu begünstigen. »Auch das Dieselprivileg, also die steuerliche Bevorzugung von Diesel, sollte fallen.«
Konzernchefs fordern besseren Infrastruktur
VW-Konzernchef Oliver Blume nannte schlechte Rahmenbedingungen als Ursache für den schleppenden Ausbau der Elektromobilität. »Wir brauchen eine besser ausgebaute Ladeinfrastruktur, vor allem in den Städten«, sagte er der »Augsburger Allgemeinen«. Auch Opel-Chef Florian Huettl mahnte einen schnellen Ausbau des Ladenetzes an. »Um das Ziel der Bundesregierung von einer Million öffentlich zugänglichen Ladepunkten bis 2030 zu erreichen, brauchen wir zehnmal mehr neue Ladepunkte«, sagte er der Zeitung.
Die Runde im Kanzleramt, an der auch mehrere Minister teilnehmen sollen, ist das zweite Treffen der »Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft« nach einer ersten Beratung im Januar.
Für 15 Millionen E-Autos bis 2030 sei eine »Kraftanstrengung« notwendig, erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Doch diese lohne sich. »Wenn wir die Klimaziele im Verkehrssektor nicht schaffen, wird es teuer.« Dann müsse Deutschland auf EU-Ebene Verschmutzungsrechte nachkaufen. »Das kann schnell in die Milliarden gehen.«
Angesichts der Herausforderung kritisierte der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, dass die Transportwirtschaft nicht ins Kanzleramt eingeladen worden sei. Ein Drittel des Kohlendioxidausstoßes im Verkehr werde so ausgeblendet.
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