Essen/Mülheim (dpa) - Eigentlich sind es nur zwei Sonderangebote mehr: Aldi verkauft ab Montag vorübergehend die 1,25-Liter-Flasche Coca-Cola aus seinem Dauersortiment für 79 statt 99 Cent und das 250-Gramm-Päckchen Kerrygold-Butter für 1,69 Euro statt für 2,39 Euro.
Doch was auf den ersten Blick alltäglich wirkt, könnte ein Erdbeben im deutschen Lebensmittelhandel auslösen und für den Verbraucher weitreichende Folgen haben. Denn der Erfinder des Discounts ändert damit seine Preisstrategie.
»Für Aldi ist das eine vollkommene Richtungsänderung. Der Discounter hat bislang immer auf Dauerniedrigpreise gesetzt. Es gab keine Sonderangebote für Markenartikel, die dauerhaft im Angebot waren«, betonte der Handelsexperte Matthias Queck von Retailytics, der Analystengruppe der »Lebensmittel Zeitung«. Der Grund für die Zurückhaltung: Aldi wollte keine Zweifel aufkommen lassen, dass auch der Normalpreis schon günstig ist.
Doch gab es da ein Problem. »Im Vergleich zu den Sonderangeboten der Konkurrenz wirkte der Aldi-Dauerpreis zuletzt immer öfter unattraktiv«, berichtete Queck. Schließlich unterbot die Konkurrenz - egal ob Lidl, Rewe oder Edeka - mit ihren Sonderangeboten wieder und wieder die Regalpreise von Aldi und säte damit Zweifel am Preisimage des Discounters.
Um in diesem Preiswettbewerb zu bestehen, sei Aldi am Ende wohl nichts anders übrig geblieben, als auch Sonderangebote einzuführen, ist Queck überzeugt. Schließlich werde gerade bei den bekannten Marken ein großer Teil im Zuge von Rotstift-Aktionen verkauft.
Bislang hatte Aldi lediglich Obst und Gemüse sowie Eigenmarken-Artikel zu günstigeren Sonderpreisen angeboten. Doch Aldi Süd kündigte an, man werde künftig »jede Woche« ausgewählte Markenartikel aus dem Standardsortiment zu einem günstigeren Angebotspreis anbieten. Aldi Nord ergänzte: »Unser Ziel ist es, unsere Preisführerschaft im Lebensmittelhandel weiter zu stärken«. Zuvor hatte die »Lebensmittel Zeitung« darüber berichtet.
Für die Verbraucher ist die Strategieänderung der Discounter auf den ersten Blick erst einmal eine gute Nachricht. »Der Schritt von Aldi kann den Preiskampf im Lebensmittelhandel deutlich anheizen«, glaubt Queck. Deutschland werde dadurch vielleicht eine neue Flut von Sonderangeboten sehen. »Da könnten auch neue Tiefstpreise getestet werden, wenn verschiedene Händler versuchen sich gegen Aldi zu positionieren.«
Doch ganz ungefährlich ist die Sache für die Verbraucher nach Einschätzung des Branchenkenners nicht. Mit seinen Dauerniedrigpreisen setze Aldi bislang de facto den Preisrahmen für viele Produkte im Lebensmittelhandel, betont Queck. Verlieren sie an Bedeutung, könne das dazu führen, dass das Preisniveau insgesamt etwas ansteige. »Wenn sich der Preiskampf künftig mehr bei den Sonderangeboten als bei den Dauerniedrigpreisen abspielt, könnte der Kunde bei den «normalen» Produkten mehr draufzahlen, als er bei den Sonderangeboten einspart«, warnte Queck und fügte dann noch hinzu: »Der Verbraucher könnte am Ende der Verlierer sein.«