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Energieexperte warnt vor Folgen eines EU-Gaspreisdeckels

Die EU-Kommissionspräsidentin hat sich erstmals offen für einen generellen Preisdeckel für Gas in Europa gezeigt. Ökonom Simone Tagliapietra warnt jedoch vor Spielereien auf dem Energiemarkt.

Gasflamme
Eine Gasflamme erhitzt am frühen Morgen das Teewasser in einem Kochtopf. Foto: Frank Rumpenhorst
Eine Gasflamme erhitzt am frühen Morgen das Teewasser in einem Kochtopf.
Foto: Frank Rumpenhorst

Ein Energieexperte hat davor gewarnt, den Preis von Gas in der EU zu deckeln. »Es wird nicht einfach sein, an den Energiemärkten herumzuspielen«, sagte Simone Tagliapietra von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel der Deutschen Presse-Agentur. Als ein Risiko nannte er, dass Lieferanten ihr Gas woanders hinschicken könnten.

China konsumiere zurzeit etwa wenig Gas, auch wegen der strengen Corona-Beschränkungen dort. Doch es sei unklar, ob das im kommenden Jahr so bleibe. »Wir müssen stark mit ihnen konkurrieren, um LNG zu bekommen«, sagte Tagliapietra zu Flüssiggaslieferungen, mit denen die EU russisches Gas ersetzen will.

Seit Monaten diskutiert die EU über Lösungen, den Gaspreis zu senken und so auch Strom zu vergünstigen, da die Preise zusammenhängen. Mehr als die Hälfte der EU-Staaten hat einen Maximalpreis für Gas im europäischen Großhandel und für Importe gefordert. Der Druck scheint zu wirken: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich in einer Rede am Mittwoch erstmals für einen grundsätzlichen Deckel offen. »Eine solche Obergrenze für die Gaspreise muss so gestaltet sein, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet ist«, sagte sie im EU-Parlament.

»Gasverbrauch reduzieren, nicht steigern«

Der Teufel steckt im Detail - nämlich wo genau der Preis begrenzt werden soll. Ein Modell, das von der Leyen vorgeschlagen hat, ist ein Preisdeckel nur für jenes Gas, das zur Stromerzeugung genutzt wird. Ähnliches hatten Spanien und Portugal bei sich eingeführt. Das Risiko sei hier jedoch, dass der Gasverbrauch wie in Spanien steige, da der Preisunterschied vom Staat gezahlt werde, sagt Tagliapietra. »Das können wir uns nicht leisten, denn wir müssen unseren Gasverbrauch reduzieren, nicht steigern.«

Weitere Vorschläge sind, den Preis im europäischen Großhandel oder für Importe vorübergehend zu beschränken. Hier gibt es verschiedene Varianten, etwa ein Spektrum an möglichen Preisen festzulegen statt eines festen Deckels. In einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU sprach von der Leyen etwa von einem »Preiskorridor« für Lieferanten wie Norwegen. Bei einem Gipfeltreffen am Freitag werden die EU-Spitzenpolitiker die Optionen besprechen.

»Grundlegende Probleme sind immer die gleichen«

Der Bruegel-Experte mahnt jedoch: »Man kann den Deckel auf viele verschiedene Arten tarnen, aber ich denke, die grundlegenden Probleme sind immer die gleichen.« Der Gasverbrauch steige. Es sei unklar, wie man für den Preisunterschied zahlen könne, und man dürfe die Versorgungssicherheit nicht gefährden.

Ein weiteres Ziel der Kommission ist es, einen Preisindex zu entwickeln, der den Markt besser widerspiegelt. Davon erhofft sich die Behörde ebenfalls niedrigere Preise. »Ich bin nicht sicher, ob solche Eingriffe nützlich wären«, sagte Tagliapietra. Man müsse zudem alle Langzeitverträge ändern, die sich auf den gegenwärtigen Handelsindex TTF bezögen.

Grundsätzlich sei es notwendig, weniger Gas zu verbrauchen und so den Preis zu senken, sagt Tagliapietra. Zudem müsse man über europäische Mechanismen reden, damit auch Länder mit wenig Geld ihre Unternehmen unterstützen könnten. »Sonst wird der Binnenmarkt zersplittert.« Deutschlands bis zu 200 Milliarden Euro schwerer Abwehrschirm wurde teils als Alleingang gewertet.

© dpa-infocom, dpa:221006-99-23227/2