Wolfsburg/Düsseldorf (dpa) - Der erbitterte Streit zwischen Volkswagen und dem Zulieferer Prevent gipfelt in millionenschweren Schadenersatz-Klagen.
Vor dem Start eines Verfahrens am Düsseldorfer Oberlandesgericht, bei dem die Hagener Prevent-Tochter TWB von Mittwoch an weitere Forderungen gegen den Autobauer erhebt, gab VW seinerseits entsprechende Schritte gegen den Ex-Lieferanten bekannt.
Im August 2016 hatten sich die Prevent-Firmen ES Guss und Car Trim geweigert, den Großkunden weiter mit Getriebe- und Sitzteilen zu beliefern. VW musste die Autofertigung in sechs Werken aussetzen.
»Die Lieferstopps waren vertrags- und rechtswidrig«, teilte der Wolfsburger Autohersteller mit. Der durch Produktionsausfälle entstandene Schaden beläuft sich laut VW auf mehr als 100 Millionen Euro, im Werk Emden mussten Tausende Beschäftigte in Kurzarbeit gehen. Bei Prevent hieß es: »Die Klagen von VW gegen diverse Unternehmen von Prevent liegen uns nicht vor, deshalb können wir hierzu nichts sagen.«
In den USA hatte - umgekehrt - eine Klage von Prevent gegen VW den Streit jüngst wieder angeheizt. Die Gruppe wirft dem Autohersteller dort Verstöße gegen das Kartellrecht vor und verlangt 750 Millionen US-Dollar (673 Mio Euro) Schadenersatz: Volkswagen habe mit wettbewerbswidrigen Maßnahmen verhindert, dass kleinere Zulieferer von größeren wie Prevent übernommen werden, hieß es Mitte November in einer Mitteilung zu der im Bundesstaat Michigan eingereichten Klage. VW wies dies zurück, eine förmliche Erwiderung wird noch in dieser Woche erwartet. Ein Prevent-Sprecher sagte, bei der Klage von VW handele es sich wiederum »um die ankündigte hastige Antwort« auf das US-Verfahren.
Keimzelle des Konflikts ist eine heftige Auseinandersetzung um Vertragskonditionen. VW hatte einen Auftrag gekündigt, sich gegen von Prevent angeblich geforderte Preiserhöhungen gesperrt und schließlich eine gezielte Kampagne gewittert. Prevent dagegen warf VW vor, als mächtiger Abnehmer Druck auf Lieferanten auszuüben. Aber selbst einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Braunschweig, wonach die Belieferung fortgesetzt werden musste, kam Prevent nicht nach.
»Die Klagen richten sich nicht nur gegen die Zulieferer, mit denen die Lieferverträge bestanden, sondern ausdrücklich auch gegen deren Muttergesellschaften der Prevent-Gruppe, die für die Lieferstopps aufgrund entsprechender rechtswidriger Weisungen verantwortlich sind«, hieß es nun bei VW. Für Ansprüche der eigenen Tochter Skoda habe man am Landgericht Braunschweig eine erste Schadenersatz-Klage eingereicht - erfasst war diese dort am Dienstag aber noch nicht.
Die weit verzweigte Firmengruppe gehört der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor und hat sich mit VW, aber etwa auch mit Daimler immer wieder um Konditionen gestritten. Im Volkswagen-Stammwerk Wolfsburg standen mehrfach die Bänder still.
Der Konzern reagierte im Frühjahr 2018 mit der Vertragskündigung, nachdem alternative Lieferanten gefunden worden waren. Einige Prevent-Firmen gerieten daraufhin ihrerseits in Schwierigkeiten - es kam zu Kurzarbeit, Kündigungen, Streiks und Auseinandersetzungen mit der IG Metall über einen Sanierungsplan. Im Fall von TWB war das Werk in Hagen Mitte September überraschend geschlossen worden.
Die Causa Prevent/VW hatte zwischenzeitlich auch Züge einer skurrilen Kriminalgeschichte entwickelt. Berichten zufolge soll Volkswagen eine Berliner Firma damit beauftragt haben, »Zielpersonen« des Zulieferers zu überwachen und teils auch deren Privatadresse in Erfahrung zu bringen. Prevent-Vertreter zeigten sich »zutiefst schockiert« und sprachen von Spionage. VW erklärte, es habe sich um Auskünfte »im Rahmen der rechtlichen Vorschriften« gehandelt: »Recherchen« seien nötig gewesen, um die Strukturen des Prevent-Netzwerks offenzulegen.
Beobachter hatten - unabhängig vom Vorgehen von VW - das Verhalten von Prevent kritisiert. »Der Gruppe bleibt nichts anderes übrig, als sich über Zukäufe ein Blockadepotenzial zu erarbeiten«, meinte der Branchenexperte Stefan Bratzel. Auch von Preiszockerei gegenüber den Kunden war die Rede. Es wurde jedoch ebenso auf Risiken des »single sourcing« bei Autobauern hingewiesen - also die Beschränkung der Beschaffung auf nur einen zentralen Zulieferer bei wichtigen Teilen.