BERLIN. Bis zuletzt liefen Einzelhandel und Handwerk Sturm gegen die Gesetzespläne zur Eindämmung von milliardenschwerem Steuerbetrug an Ladenkassen: Doch aller Kritik auch aus der Koalition zum Trotz gilt von diesem Mittwoch an eine Kassenbonpflicht.
Ob in der Apotheke, beim Friseur oder beim Bäcker. Wenn Händler über elektronische Kassensysteme verfügen, müssen sie vom 1. Januar an Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen. Der Kunde muss diesen allerdings nicht mitnehmen.
Mit den Ende 2016 beschlossenen Maßnahmen will der Gesetzgeber Steuerbetrug über Mogelkassen einen Riegel vorschieben. Kassen sollen fälschungssicher und so Manipulationen verhindert werden. Die umstrittene »Belegausgabepflicht« ist ebenfalls Teil des »Kassengesetzes«. Demnach kann der Bon auch per Mail oder auf das Handy ausgegeben werden. In »Härtefällen« ist kein Beleg fällig - das aber muss die jeweilige Finanzbehörde vor Ort prüfen.
Der Staat verliert alljährlich hohe Summen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen - vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Die Steuergewerkschaft und einige Bundesländer bezifferten den Schaden auf jährlich etwa zehn Milliarden Euro. In vielen Staaten wie Österreich, Italien, Portugal, Schweden, Slowenien und Tschechien gilt die Bonpflicht schon länger und funktioniert laut Bundesfinanzministerium auch.
Betroffene Unternehmen hierzulande warnen vor höheren Kosten, mehr Bürokratie sowie Umweltschäden. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer nannte die Bonpflicht »Blödsinn«: »Die Betriebe fühlen sich gegängelt und vorgeführt.« Unternehmen müssten viel in die neuen elektronischen Kassen investieren. Mit einer technischen Sicherungseinrichtung werde jeder Kassenvorgang unveränderbar erfasst - dann müssten aber nicht noch zusätzlich Bons ausgeben werden. Ähnlich argumentiert die FDP: Bei Betrieben mit fälschungssicheren Kassen sollte auf die Bonpflicht verzichtet werden.
Auch aus dem CDU-Wirtschaftrat kommt Kritik. Generalsekretär Wolfgang Steiger sagte der dpa, die Bonpflicht unterstelle den Unternehmen aus Gastronomie und Handel zum einen pauschal kriminelle Energie. »Zum anderen sorgt es für einen unglaublichen bürokratischen Aufwand und steht exemplarisch für eine Entfremdung der Politik von der Realwelt, wenn bereits beim Kauf eines einfachen Frühstücksbrötchens oder einer Eiskugel ein Bonausdruck ausgestellt werden muss«. Steiger schlug vor, für Beträge unter fünf Euro keinen Beleg auszugeben. Die einfachste Lösung sei jedoch eine Befreiung von der Bonpflicht für Geschäfte, die eine zertifizierte sichere Kasse nutzen.
Die Verordnung tritt nun zwar im Januar in Kraft, aber nicht alle Unternehmer konnten sich schon eine neue oder umgebaute Kasse zulegen. Für die Umsetzung der technischen Sicherheitseinrichtung wurde daher eine Frist bis Ende September 2020 gewährt. Solange wird nicht beanstandet, wenn elektronische Aufzeichnungssysteme noch nicht über eine zertifizierte Sicherheitseinrichtung verfügen - die umstrittene Bonpflicht aber bleibt davon unberührt.
Dem Fachverband für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik zufolge können von den etwa 1,85 Millionen Kassen, die in Deutschland im Einsatz sind, nur zwischen 400.000 und 500.000 umgerüstet werden. Die anderen müssten durch neue Produkte ersetzt werden.
Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes Ausnahmen angeregt. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) aber verteidigte die Pläne als Maßnahme für mehr Steuergerechtigkeit und stellte klar - die »Bonpflicht« kommt. Die Aufregung darüber halte er für vorgeschoben. Es gehe um Umsatzsteuerbetrug in Milliardenhöhe - und zwar jedes Jahr. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte kürzlich deutlich gemacht, dass die Belegpflicht wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten werde. (dpa)