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Dicke Luft: Streit um Abgas-Manipulationen an Lastwagen

Mit der Einführung von AdBlue sollte sich der Schadstoffausstoß der Lastwagenflotte deutlich verringern. Doch Messungen zufolge manipulieren viele Spediteure. Das ruft nicht nur Umweltschützer auf den Plan.

Abgasnorm
Zähfließender Verkehr auf der Autobahn A3 beim Leverkusener Kreuz. Foto: Roberto Pfeil
Zähfließender Verkehr auf der Autobahn A3 beim Leverkusener Kreuz.
Foto: Roberto Pfeil

Zwischen 20 und 100 Euro kosten im Internet die kleinen schwarzen Kästen, die für dicke Luft auf deutschen Straßen sorgen. Mit diesen illegalen Geräten, Emulatoren genannt, können Spediteure die Abgasreinigung an ihren Lastwagen ausschalten und so bis zu 2000 Euro im Jahr für AdBlue sparen.

Der Nachteil: Die Lastwagen werden dadurch zu Dreckschleudern mit Schadstoffausstoß weit über den zulässigen Grenzwerten. Das Problem ist den Behörden bekannt. Gestritten wird allerdings darüber, wie groß es ist und was dagegen getan werden könnte.

Bei Kontrollen seien 4,1 Prozent der Lastwagen entsprechend aufgefallen, legen die Zahlen des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) in Köln nahe. Dies sei jedenfalls die Quote bei 7070 Kontrollen im vergangenen Jahr gewesen. Demnach wurden 292 Umweltsünder erwischt.

Die Zahlen des Bundesamts seien unrealistisch niedrig, kritisiert dagegen der Umweltphysiker Denis Pöhler, der mit seiner Firma Airyx Messgeräte gegen die Luftverpester entwickelt hat.

Zu wenig und falsche Kontrollen

Das BAG führe schlichtweg zu wenig und falsche Kontrollen durch, sagt auch Andreas Mossyrsch vom Transportverband Camion Pro. Messungen verschiedener Institutionen hätten gezeigt, dass mindestens jeder fünfte Lastwagen entsprechend manipuliert oder defekt mit viel zu hohem Schadstoffausstoß durch das Land rolle.

Kritik kommt auch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die sich auf eigene Messungen beruft: »Wir wissen, dass in Deutschland sehr unvollständig getestet wird. Die Messungen, die wir gemacht haben, zeigen deutlich höhere Werte«, sagt DUH-Experte Axel Friedrich. Bei seinen Messungen hielten nur 46 Prozent der Fahrzeuge der Schadstoffklasse VI den für sie geltenden Schadstoffgrenzwert ein. »Es muss sofort eine Überprüfung von Lkw im Fahrbetrieb kommen«, fordert er.

Denn mit Messsonden ausgestattete Kontrollwagen könnten die Umweltsünder, ob mit bewusst manipulierter oder defekter Abgasreinigung, schon während der Fahrt erkennen und treffsicher aus dem Verkehr ziehen. Das BAG wollte sich zur Kritik der Experten und Umweltschützer auf Nachfrage nicht äußern.

Im Visier haben die Kritiker vor allem osteuropäische Speditionen. Sie sollen im großen Stil die AdBlue-Anlagen manipulieren, sagt Mossyrsch von Camion Pro. Die BAG-Zahlen scheinen auch zu bestätigen, dass vorwiegend Lastwagen aus dem Ausland mit manipulierten oder defekten Reinigungssystemen unterwegs sind: Von den 292 auffälligen Lastwagen seien nur 19 deutsche gewesen. Namen von Speditionen werden nicht genannt.

Reduktion des Ausstoßes von Stickstoffoxiden

AdBlue ist der Handelsname für eine wässrige Harnstofflösung, die Fahrer von Diesel-Lkw und -Pkw mit SCR-Katalysator zusätzlich zum Treibstoff regelmäßig tanken müssen. Entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge sind dazu mit einem Zusatztank ausgestattet. Das Mittel wird eingesetzt, um den Ausstoß von Stickstoffoxiden zu reduzieren. Zuletzt wurden Lieferschwierigkeiten von AdBlue befürchtet, und der Preis für AdBlue hat sich vervielfacht. Der Grund dafür ist Ammoniak. Für dessen Herstellung wird Gas benötigt, das sich stark verteuert hat. Das hat wiederum Auswirkungen auf Preis und Verfügbarkeit.

AdBlue verschlingt für einen Lkw nicht nur bis zu 2000 Euro im Jahr - auch die Wartung und der regelmäßige Austausch der Reinigungsanlage schlagen zu Buche, sagt Umweltphysiker Pöhler aus Eppelheim bei Heidelberg. Deswegen setzen die schwarzen Schafe unter den Spediteuren die Emulatoren ein, um die Bordelektronik zu überlisten und die Abgasreinigung ausschalten.

Die kleinen Kästen werden im Motorraum oder im Kabelbaum der Lastzüge versteckt. Sie verhindern nicht nur die Einspritzung von AdBlue, sondern gaukeln der Motor-Elektronik auch vor, dass alles wie gewohnt funktioniert. Denn andernfalls würden sich die Motoren gar nicht mehr starten lassen.

Spezielle Analysegeräte für illegale Software

Mittlerweile gebe es die Emulatoren auch als illegales Software-Update für die Bordelektronik, sagt Mossyrsch. Konnten die Kästen bei einer genaueren Kontrolle noch von einem geschulten Auge entdeckt werden, brauche es bei der illegalen Software spezielle Analysegeräte, um sie zu entdecken.

Die Polizei kann den Umweltsündern mangels Ausstattung nicht auf die Schliche kommen. »Wir haben keine Möglichkeit, das zu kontrollieren«, heißt es etwa bei der Polizei in Düsseldorf. Der Bundesverband Güterkraftverkehr teilte lediglich mit: »Das Bundesamt für Güterverkehr ist die einzige Instanz, die belastbare Zahlen über in Lkw verbaute AdBlue-Emulatoren machen kann.«

Es sind nicht nur die aus ihrer Sicht zu geringen und mangelhaften Kontrollen, die die Experten stören, sondern auch die Höhe der Strafen und Bußgelder. »Zum Teil kommen Schwindler hier mit 100 oder 120 Euro weg. Das tut nicht weh, wenn ich im Gegenzug Tausende Euro sparen kann«, sagt Pöhler. Es lohne ein Blick nach Dänemark: Dort zahle eine Spedition 2000 Euro, wenn ein manipulierter Lkw erwischt wird. Auch der Fahrer könne mit bis zu 1000 Euro belangt werden.

Das BAG weist darauf hin, dass bei einer derartigen Manipulation die Weiterfahrt untersagt werde, die Betriebserlaubnis erlischt und Nachforderungen bei der Maut fällig werden. Dies sei auch bei allen 292 Umweltsündern im vergangenen Jahr so gehandhabt worden.

© dpa-infocom, dpa:221114-99-509734/2