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Deutschland steigt aus der Atomenergie aus - nicht ganz

Die letzten drei Atomkraftwerke gehen am 15. April vom Netz. Aber das Kapitel Kernenergie ist für Deutschland damit nicht vom Tisch. Ein verstaatlichtes Unternehmen mischt weiter mit beim Geschäft mit Atomstrom.

Uniper
Der im Zuge der Gaskrise verstaatlichte Energiekonzern Uniper ist in Schweden an drei Atomkraftwerken beteiligt, bei einem von ihnen als Mehrheitseigner. Foto: Oliver Berg
Der im Zuge der Gaskrise verstaatlichte Energiekonzern Uniper ist in Schweden an drei Atomkraftwerken beteiligt, bei einem von ihnen als Mehrheitseigner.
Foto: Oliver Berg

Auch nach der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland am 15. April produziert ein deutsches Unternehmen weiterhin Atomstrom. Der im Zuge der Gaskrise verstaatlichte Energiekonzern Uniper ist in Schweden an drei Atomkraftwerken beteiligt, bei einem von ihnen als Mehrheitseigner. »Uniper verfügt über 1,4 Gigawatt an zurechenbarer Kernkraftkapazität in Schweden, das etwa 40 Prozent seines Stroms aus Kernenergie bezieht«, heißt es auf der Homepage des Düsseldorfer Unternehmens. 1,4 Gigawatt (1400 Megawatt) entsprechen der Bruttoleistung des vor der Abschaltung stehenden RWE-Kernkraftwerks Emsland.

»Pläne, sich von Kernkraftanlagen in Schweden zu trennen, gibt es nicht«, teilte ein Uniper-Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. »Uniper ist ein zuverlässiger Betreiber seiner Kernkraftwerke in Schweden und tut alles, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten«, sagte der Sprecher.

Zurzeit plane Uniper am Standort des Kernkraftwerks in Oskarshamn eine elektrische, nicht-nukleare Forschungs- und Testanlage zu errichten, deren Bau im nächsten Jahr beginnen solle. Das Projekt werde in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Blykalla und der Königlichen Technischen Hochschule durchgeführt. In der Forschungsanlage soll es um die Erprobung von Materialien und Bauteilen für einen neuen Reaktortyp gehen, einen sogenannten Small Modular Reactor (SMR).

Was ist ein Small Modular Reactor (SMR)?

Ziel sei die Entwicklung eines Reaktors, »der Industrie und Gesellschaft weiterhin fossilfreien Strom auf stabile, kosteneffiziente und klimaschonende Weise liefern kann«, heißt es auf einer Uniper-Infoseite.

»Was einen SMR von großen heutigen Kernkraftwerken unterscheidet, ist, dass er die gleiche Menge an stabilem und fossilfreiem Strom liefern kann wie heute, aber flexibler ist und weniger Platz braucht.« Das Konzept sehe vor, dass die Bauteile vorgefertigt und zum Standort transportiert würden. Dort würden sie dann zusammengefügt wie ein »do-it-yourself kit«. Wegen der seriellen Herstellung seien Kosten und Zeitaufwand für den Bau eines SMR deutlich geringer als für ein großes Kernkraftwerk. Über die Pläne Unipers in Schweden hatte zuvor die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« berichtet.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte sich jüngst ablehnend zu SMR-Anlagen, unter denen man Reaktoren mit einer elektrischen Leistung bis zu 300 Megawatt verstehe. SMR-Konzepte seien nicht ausgereift und auf absehbare Zeit nicht verfügbar, heißt es in einer Studie. Es handelte sich um alte Reaktorkonzepte, die sich aufgrund von ökonomischen Nachteilen durch die geringeren Leistungen nicht etabliert hätten. »Weiterhin bleiben sie radiologisch gefährlich, da sich die Probleme des vermehrten Transports und der Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle vervielfachen würden.« Trotz jahrzehntelanger Forschung habe kaum ein Kernkraftwerk der Kategorie SMR den kommerziellen Leistungsbetrieb aufnehmen können. Selbst unter der Annahme von optimistischen Rahmenbedingungen sei nicht von einem kostenmäßig wettbewerblichen Angebot auszugehen.

© dpa-infocom, dpa:230411-99-271985/2