Deutsche Unternehmen bekommen in China immer mehr Konkurrenz. Einer Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in China zufolge halten es 46 Prozent der befragten Firmen für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich, dass chinesische Firmen in ihrer Branche in Sachen Innovation binnen fünf Jahren die Führung übernehmen könnten. Fünf Prozent der Befragten sagten, das sei bereits der Fall. »Der Wettbewerb wird stärker. Chinesische Firmen werden besser«, sagte Ulf Reinhardt, AHK-Vorstandsvorsitzender in China, am Mittwoch in Peking.
»Die chinesischen Wettbewerber haben während Covid nicht gepennt«, sagte Jens Hildebrandt, geschäftsführendes AHK-Vorstandsmitglied. Noch vor der Pandemie hatten deutsche Firmen den AHK-Daten zufolge ihre chinesische Konkurrenz eher nicht als baldige Innovationsführer in ihrer Branche erwartet.
Mehr Forschung für Wettbewerbsfähigkeit
Die Deutschen müssen sich in dem Markt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt also anstrengen. »Deutschland und die deutschen Unternehmen sind bereit für mehr Wettbewerb mit China und seinen Unternehmen, solange dieser Wettbewerb nach fairen Regeln abläuft, einen transparenten Marktzugang ermöglicht und nicht auf verzerrenden Subventionen beruht«, sagte Stephan Grabherr, quasi der Vize-Botschafter Deutschlands in China.
Fast die Hälfte (46 Prozent) der 566 befragten Unternehmen gab an, mit chinesischen Partnern oder Kunden zu kooperieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. 42 Prozent wollen dafür in ihre Forschung und Entwicklung investieren. In der Regel bedeute das, in China für die chinesischen Kunden Produkte zu entwickeln und zu produzieren, sagte Reinhardt.
Auch China hat zu kämpfen
Doch auch China hat zu kämpfen. Die Ökonomie des Landes mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern wächst nicht mehr so wie früher. 2023 übertraf das Wirtschaftswachstum mit 5,2 Prozent zwar die von der Regierung angepeilte Marke von 5,0 Prozent. Doch in diesem Jahr könnte der Zuwachs laut der Weltbank mit 4,5 Prozent geringer ausfallen. Die Chinesen konsumieren weniger im Inland und die exportgetriebene Wirtschaft vertreibt weniger Produkte mit traditionell starken Handelspartnern im Ausland.
Das spiegelt sich auch in der Erwartung der deutschen Unternehmen wider. 83 Prozent glauben der AHK-Erhebung zufolge, dass der wirtschaftliche Trend in China nach unten zeigt, wobei 64 Prozent wieder mit einer Erholung in ein bis drei Jahren rechnen. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) findet, dass China als Investitionsstandort an Attraktivität verliert. Trotzdem wollen genauso viele weiter Geld in ihr China-Geschäft stecken. Ein Großteil jener Investitionswilligen tut das den Angaben nach, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Deutsche Firmen fühlen sich benachteiligt
Ungefähr 5000 deutsche Firmen arbeiten in China, wovon 2100 AHK-Mitglieder sind. Jene, die sich zwischen dem 5. September und dem 6. Oktober 2023 an der Umfrage beteiligten, kamen zu rund einem Drittel aus dem Sektor Maschinenbau und Industriemaschinen. Rund jedes Fünfte (21 Prozent) ist im Automotiv-Bereich tätig. 69 Prozent der Betriebe hat weniger als 250 Mitarbeiter.
Deutsche Firmen fühlen sich der Erhebung zufolge allerdings benachteiligt. Rund jedes Dritte befragte Unternehmen sah sich durch rechtliche Unsicherheiten gehindert. Ein oft genanntes Problem sind zum Beispiel die undurchsichtigen Regelungen für die Übertragung personenbezogener Daten über die Grenze ins Ausland. Wenn mehr Investitionen in China getätigt werden sollen, brauche man rechtlichte Transparenz, um Vertrauen bei den Investoren aufzubauen, sagte Hildebrandt.
Mehr investieren für weniger Risiko
Etwas mehr als jedes Fünfte gab an, verglichen mit der chinesischen Konkurrenz ungleich behandelt zu werden. Ein Problem scheinen dabei öffentliche Ausschreibungen zu sein: 53 Prozent der Firmen, die daran teilnahmen, sahen sich durch mangelnde Transparenz oder Bevorzugung chinesischer Bewerber gehindert.
Außerdem veranlassen globale Konflikte und die schwache Wirtschaftsentwicklung in China einige Unternehmen dazu, sich abzusichern. 44 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Zentralen bereits das Risiko im China-Geschäft zu verringern versuchen. Die meisten davon bauen von China unabhängige Lieferketten oder ein zusätzliches Geschäft außerhalb Chinas auf. Andere Firmen wollen dagegen ihr Risiko verringern, indem sie in China mehr forschen und entwickeln.
Bundesbank sieht in Verflechtung mit China auch Risiken
Nach Einschätzung der Bundesbank wäre eine Wirtschaftskrise in China für die deutsche Konjunktur verkraftbar, eine Abkoppelung von China allerdings nicht. »Eine abrupte Abkopplung, etwa infolge einer geopolitischen Krise, würde speziell die deutsche Industrie erheblich treffen«, heißt es in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Aufsatz aus dem Monatsbericht der Bundesbank. Vornehmlich große Unternehmen, die direkt in China engagiert sind, könnten in einem solchen Extremszenario »einen substanziellen Teil ihrer Umsatz- und Gewinnbasis verlieren«.
Neben den großen Unternehmen wären auch kleine und mittlere deutsche Firmen von einem Abbruch der Handelsbeziehungen betroffen, die direkt oder indirekt von Vorleistungsgütern aus China abhängen. Nach Einschätzung der Bundesbank-Experten könnten ausbleibende Lieferungen zumindest kurzfristig gravierende Produktionsausfälle nach sich ziehen. »Insgesamt würden die gesamtwirtschaftlichen Einbußen die Kosten der weitreichenden Abkopplung von Russland wohl klar in den Schatten stellen.«
Die Experten der Bundesbank haben in ihrer Analyse neben den Risiken auch die Vorteile der engen Verflechtungen der deutschen Exportwirtschaft hervorgehoben. Deutsche Industrieunternehmen haben demnach in den vergangenen Jahren stark von den Exporterlösen profitiert. »Hinzu kamen hohe Umsätze und Gewinne aus der Produktion in China«, heißt es weiter in der Analyse. Zudem seien die umfangreichen Importe aus China für Deutschland nutzbringend.
© dpa-infocom, dpa:240124-99-730116/7