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Das Kneipen-Sterben: Inflation belastet britische Pubs

Erstmals gibt es weniger als 40.000 Pubs in England und Wales. Tendenz: weiter fallend. Ohnehin haben die oft urigen Schänken seit Jahren mit Problemen zu kämpfen. Nun kommen neue hinzu.

Pubs
Die Zahl britischer Pubs sinkt immer weiter. Foto: Sebastian Gollnow
Die Zahl britischer Pubs sinkt immer weiter.
Foto: Sebastian Gollnow

Die Zahl britischer Pubs sinkt immer weiter. Zwischen Januar und Juni 2022 machten 485 Kneipen dicht, wie eine Studie der Initiative Campaign for Real Ale (CAMRA) ergab. Damit verdoppelte sich die Geschwindigkeit, mit der Pubs schließen, im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2021 fast.

Die auch bei Touristen wegen ihrer Urigkeit beliebten Lokale werden besonders stark von den steigenden Lebenskosten getroffen, wie der Verband British Beer and Pub Association (BBPA) betont. »Sie erleben steigende Inflation und schwindelerregende Energierechnungen, und diese Kosten machen wirklich jegliche Rentabilität zunichte«, sagte BBPA-Chefin Emma McClarkin der BBC.

Unterstützung vom Staat gefordert

Die Branche fordert vor allem weitere Hilfen der Regierung, wenn die staatliche Förderung für Energiepreise im April 2023 ausläuft. »Ohne Unterstützung werden Pubs mit einem Verlust von 20 Prozent arbeiten«, sagte CAMRA-Chef Nik Antona. »Das ist nicht tragbar.« Werde die Energieunterstützung nicht verlängert, drohe Tausenden Pubs, Clubs, Brauereien und Cider-Produzenten das Aus - alternativ müssten die Preise erheblich erhöht werden. Schon machen Gerüchte die Runde, ein Pint (0,568 Liter) Bier müsse dann für 20 Pfund (22,70 Euro) über den Tresen gehen, um die Kosten zu decken. Aktuell werden in der teuren Londoner Innenstadt knapp 7 Pfund verlangt.

Bereits jetzt haben zahlreiche Kneipen, aber auch Restaurants und Cafés ihre Öffnungszeiten verkürzt, um Geld zu sparen. Das Statistikamt ONS bezifferte deren Zahl kürzlich auf gut ein Fünftel aller Einrichtungen. Der BBPA ermittelte, dass rund 85 Prozent seiner Mitglieder erwägen, im Winter früher zu schließen oder sogar ein bis zwei Tage die Woche gar nicht zu öffnen. Auch fehlendes Personal ist für viele Kneipen ein Problem.

Corona hat den Trend verstärkt, aber das Pub-Sterben hat bereits lange vor der Pandemie begonnen. Die Gründe sind vielfältig: das Rauchverbot, günstiger Alkohol im Supermarkt oder auch geändertes Trinkverhalten. Zudem klagen Wirte über die Biersteuern, die zu den höchsten der Welt gehörten. Zuletzt wurden die Lokale auch von Streiks bei den britischen Bahnen getroffen - es waren weniger Pendler unterwegs, niemand bummelte durch die Innenstädte.

So wenige Pubs wie nie zuvor

Im ersten Halbjahr fiel die Zahl der Pubs in England und Wales erstmals auf unter 40.000, wie eine Analyse des Immobilienberaters Altus Group ergab. Das waren 7000 weniger als vor einem Jahrzehnt und so wenige wie nie. Wie der BBPA und andere Branchenverbände bereits vor Wochen warnten, droht rund einem Drittel der Betriebe das Aus. Das liegt auch daran, dass wegen der steigenden Lebenskosten weniger Kunden kommen. Für das Pint zum Feierabend ist kein Geld mehr da.

Die Entscheidung über eine Verlängerung der Energiehilfen fällt erst 2023. Die Regierung betont, sie habe den Pubs bereits mit anderen Maßnahmen unter die Arme gegriffen. So wurden die Gewerbesteuer gesenkt und die Einfrierung der Alkoholsteuer ausgeweitet.

Etwas Hoffnung macht den Pubs auch die bevorstehende Krönung von König Charles III. am 6. Mai - dafür erhalten die Menschen im Vereinigten Königreich einmalig einen weiteren arbeitsfreien Feiertag am 8. Mai. Der Branchenverband UK Hospitality, dem vor allem Hotels und Restaurants angehören, forderte die Regierung auf, die Ausschankzeiten über das gesamte lange Wochenende zu verlängern. »Jede zusätzliche Handelszeit für Betriebe kann einen entscheidenden Unterschied machen, während die Branche versucht, sich wiederzubeleben und eine breitere wirtschaftliche Erholung und Beschäftigung voranzutreiben«, sagte Verbandschefin Kate Nicholls.

© dpa-infocom, dpa:221223-99-998819/3