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D-Ticket: Wissing sieht stabilen Schub für Nahverkehr

Im Sommer 2022 lockten die beliebten 9-Euro-Tickets. Jetzt ist das reguläre Nachfolgeangebot schon so lange auf dem Markt wie die ganze Sonderaktion von damals. Zeigt sich mehr als ein Strohfeuer-Effekt?

Deutschlandticket
»Natürlich sind mit dem Deutschlandticket noch nicht alle Probleme gelöst, aber es ist schon jetzt ein echter Gamechanger«. Foto: Boris Roessler/DPA
»Natürlich sind mit dem Deutschlandticket noch nicht alle Probleme gelöst, aber es ist schon jetzt ein echter Gamechanger«.
Foto: Boris Roessler/DPA

Fast drei Monate nach dem Start des Deutschlandtickets sieht Bundesverkehrsminister Volker Wissing Chancen für einen dauerhaften Schub bei der Nutzung von Bussen und Bahnen. »Das Ticket ist wirklich ein Riesenerfolg«, sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Seit der Einführung am 1. Mai seien nahezu eine Million Neukunden für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gewonnen worden. »Und wir haben die Zahl der Abonnenten erhöht, die sich fest an den ÖPNV binden. Das heißt, dass es nicht nur eine Gelegenheitsnutzung gibt, sondern eine Alltagsnutzung.« Im Blick stehen nun aber auch Verbesserungen beim Angebot für die Fahrgäste.

Die Erwartungen waren hoch, als das neue Ticket nach langem Gezerre zwischen Bund und Ländern über einen Nachfolger für die befristeten 9-Euro-Tickets aus dem Sommer 2022 an den Start ging. Seit 1. Mai kann das Deutschlandticket für 49 Euro im Monat genutzt werden - als digital buchbares, monatlich kündbares Abonnement. Es gilt bundesweit im Nahverkehr, und das ohne kompliziertes Kümmern um Tarifzonen. Dabei sind die 49 Euro ausdrücklich der »Einführungspreis«. Spätere Anhebungen wegen steigender Kosten sind also nicht ausgeschlossen.

Die Nahverkehrszüge werden nun deutlich häufiger genutzt. »Im Juni sind 25 Prozent mehr Menschen mit unseren Zügen gefahren als noch im April«, sagte die Vorständin Regionalverkehr der Deutschen Bahn, Evelyn Palla, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Sie haben auch deutlich längere Strecken im öffentlichen Nahverkehr zurückgelegt. Damit ist das Deutschlandticket jetzt bereits ein großer Erfolg.«

Der Abo-Effekt

Wissing sagte: »Die Abo-Lösung war mir auch deshalb so wichtig, weil wir dadurch die Kostenfrage umkehren: Hat man ein Abo, spart man jedes Mal Geld, wenn man den ÖPNV nutzt - hat man kein Abo, muss man jedes Mal extra bezahlen.« Wenn man sich die Abo-Zahlen anschaue, gehe die Rechnung voll auf. In wenigen Wochen sei es gelungen, sechs Millionen Menschen dauerhaft vom ÖPNV zu überzeugen. Das seien laut Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zum einen fünf Millionen neue Abo-Kunden, die den ÖPNV zuvor ohne Abo genutzt hatten. Und dann rund eine Million Abos ganz neuer ÖPNV-Nutzer. »Das allein ist ein bombastischer Erfolg.« Ursprünglich gab es vor dem Deutschlandticket elf Millionen Abos. Fünf Millionen davon wechselten nun zum D-Ticket.

Kritischer sieht es der Fahrgastverband Pro Bahn. Ein großer Teil der Neukunden seien vor allem die, die das System ohnehin zwischendurch genutzt hätten, »etwa mit Tageskarten und Einzelfahrscheinen«, sagte der Ehrenvorsitzende des Verbandes, Karl-Peter Naumann, der »Rheinischen Post«. »Dass man wirklich Menschen in großen Mengen von der Straße in den öffentlichen Personennahverkehr gelockt hat, ist nicht passiert«, fügte er hinzu.

Der Regional-Effekt

Wissing betonte: »Das Ticket ist nicht nur in den urbanen Zentren, sondern gerade auch im ländlichen Raum und in der Peripherie zu den Ballungszentren interessant.« Dort habe es ein Problem mit zu hohen Preisen gegeben. »Da zahlen Sie teilweise 200, 300 Euro für eine Monatskarte. Und ehrlich gesagt, auch Einzelfahrscheine für mehr als 10 Euro pro Richtung sind für eine Familie viel Geld.« Gerade auf dem Land sei das schwierig, weil Menschen nicht allein den ÖPNV nutzten, sondern meistens auch noch ein Auto haben müssten. »Jetzt haben wir mit einem attraktiven Angebot eine echte Möglichkeit geschaffen, sich wirklich verkehrsträgerübergreifend zu bewegen.« Ersten Erhebungen zufolge nehme die Zahl der täglichen Pendlerfahrten mit dem Zug zu.

Die Preis-Frage

»Natürlich spielt der Preis eine Rolle«, erläuterte der Minister. »Aber vergessen wir nicht: Die 49 Euro liegen deutlich unter den bisherigen Abo-Preisen und sind damit eine deutliche finanzielle Entlastung bei ausgeweitetem Geltungsbereich.« Und: »Je mehr Abonnenten wir haben, umso günstiger kann das Ticket dauerhaft bleiben. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele das Ticket auf Dauer nutzen.« Am Ende müsse man auch schauen, dass der ÖPNV insgesamt gut funktioniere. »Das heißt: Auch das Angebot und die Infrastruktur müssen stimmen.« Rufe von Verbraucherschützern nach einer mehrjährigen Preisgarantie ließ die Politik bisher verhallen.

Die Investitions-Frage

»Natürlich sind mit dem Deutschlandticket noch nicht alle Probleme gelöst, aber es ist schon jetzt ein echter Gamechanger«, sagte der Minister. »Jetzt arbeiten wir unter anderem am Ausbau der Schienenwege. Die Verantwortlichen vor Ort müssen auch das Angebot stärker an den Bedürfnissen der Fahrgäste ausrichten - zum Beispiel mit passenden Takten zu den Stoßzeiten.« Nicht nur Umweltverbände dringen seit langem auf ein dichteres Angebot besonders auf dem Land. Kann eine höhere Nachfrage durch das D-Ticket das lohnender machen?

Die Frage des Geldes

Die Länder fordern hartnäckig mehr Geld vom Bund - und das nicht nur für Aktionen wie das neue Ticket, sondern schon für den Normalbetrieb mit steigenden Kosten für Personal und Energie. Dabei geht es um die Regionalisierungsmittel aus Berlin, mit denen Länder und Verbünde Leistungen bei Verkehrsunternehmen bestellen. Wissing sagte, schon jetzt unterstütze der Bund die für den ÖPNV zuständigen Länder mit mehr als zehn Milliarden Euro jährlich. Und seit diesem Jahr würden die Mittel auch stärker um drei Prozent pro Jahr angehoben. »Das ist richtig viel Geld zusätzlich.« Insgesamt gebe der Bund 2022 bis 2031 allein zusätzliche Regionalisierungsmittel von 17,3 Milliarden Euro.

© dpa-infocom, dpa:230730-99-605399/3