Chinas wirtschaftliche Erholung hat im zweiten Jahresquartal weiter an Schwung verloren. Dabei klingen die am Montag vom Statistikamt in Peking veröffentlichten Zahlen zunächst einmal positiv: Um 6,3 Prozent ist das chinesische Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal gewachsen. Doch die vergleichsweise hohe Zahl hängt vor allem mit der niedrigen Ausgangslage im Vorjahreszeitraum zusammen: Damals befanden sich etliche Städte des Landes im Corona-Lockdown, die Finanzmetropole Shanghai war gar zwei Monate lang vollständig abgeriegelt.
Vor diesem Hintergrund fällt das jetzige Wachstum de facto niedriger aus, als von den meisten Beobachtern erwartet. Die vom chinesischen Wirtschaftsmedium Caixin befragten Experten prognostizierten beispielsweise eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 7 Prozent. Die Bloomberg-Ökonomen gingen von 7,1 Prozent aus.
Wesentlich aufschlussreicher zur Erfassung des Status quo ist der Vergleich mit den vorangegangenen Monaten: Vom ersten auf das zweite Quartal 2023 hat das BIP in China lediglich 0,8 Prozent zugelegt.
Anhaltend niedriger Binnenkonsum
Insbesondere der Einzelhandel hat sich zuletzt enttäuschend entwickelt. Die Umsätze der Branche stiegen im Juni nur mehr um 3,1 Prozent, nachdem im Vormonat Mai noch eine Steigerung um 12,7 Prozent verzeichnet werden konnte. Es ist offensichtlich, dass die Verbraucher derzeit wenig Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft ihres Landes hegen und Ausgaben tendenziell verschieben.
Die prekäre wirtschaftliche Lage spiegelt sich auch in der historischen Jugendarbeitslosigkeit in den Städten nieder, die mittlerweile auf 21,3 Prozent gestiegen ist. Laut Angaben des Statistikamts dürfte der Wert im Juli erneut zulegen, da allein in diesem Sommer landesweit über elf Millionen Universitätsabsolventen auf den Arbeitsmarkt strömen.
Das Wachtumsziel von fünf Prozent gerät in Gefahr
Nach einem überraschend starken Start ins Jahr scheint die Euphorie innerhalb der chinesischen Wirtschaft nahezu vollständig verflogen. Erst im Dezember hatte die chinesische Regierung zwar ihre rigide »Null-Covid«-Strategie aufgegeben, doch auch ohne die Lockdowns blieben viele der ökonomischen Probleme weiterhin bestehen: Die exportgetriebene Volkswirtschaft leidet unter der derzeit schwachen globalen Nachfrage, einem kriselnden Immobilienmarkt sowie dem anhaltend niedrigen Binnenkonsum. Hinzu kommen auch die geopolitischen Spannungen mit den Vereinigten Staaten, welche China mit technologischen Sanktionen belegt haben.
Mittlerweile scheint sogar fraglich, ob die chinesische Regierung ihr selbst ausgegebenes Wachstumsziel von fünf Prozent für das Jahr 2023 überhaupt noch erreichen wird. Laut dem Ökonomen Michael Pettis von der renommierten Peking-Universität benötigt China für den Rest des Jahres nun »eine ordentliche Wachstumsbeschleunigung«. Bislang jedoch zeichnet sich diese jedoch keineswegs ab.
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