BERLIN. Bahnkunden müssen sich trotz zunehmender Verspätungen auf die nächste Preiserhöhung einstellen. Konzernchef Richard Lutz kündigte am Donnerstag höhere Tarife für Fahrten in ICE und Intercitys an, blieb aber noch unkonkret.
»Im Durchschnitt werden die Preise des Fernverkehrs deutlich unterhalb der Inflationsrate steigen, die derzeit bei rund zwei Prozent liegt«, sagte Lutz den Zeitungen der der Funke-Mediengruppe (Donnerstag).
Entscheiden wird der Vorstand darüber im Herbst, die höheren Preise gelten dann ab dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember. Im vergangenen Jahr waren Fahrkarten im Fernverkehr durchschnittlich um 0,9 Prozent teurer geworden, ein Jahr zuvor um 1,3 Prozent. In den beiden Vorjahren hatte es Nullrunden gegeben, damit nicht zu viele Kunden zu den neuen Fernbus-Anbietern abwandern.
»Wir waren in den vergangenen Jahren schon vernünftig unterwegs und werden auch in diesem Jahr moderat vorgehen«, versicherte Lutz. Ziel der Preispolitik sei es, die Züge besser auszulasten und Wachstum zu unterstützen.
Kunden kennen das Prinzip: Oft ist es billiger, etwa am Samstagmorgen zu fahren als am Freitagnachmittag. »Uns gelingt es bereits, Kunden über die Spar- und Supersparpreise in weniger ausgelastete Züge zu bringen«, erklärte Lutz. Diese Steuerung werde man aber auch nicht überstrapazieren.
Der Vorstandschef kündigt höhere Preis zu einem Zeitpunkt an, an dem die Bahn ihren Kunden viel Geduld abverlangt. Jeder vierte Fernzug fährt verspätet, das heißt mindestens sechs Minuten nach Fahrplan. Hunderte Baustellen, überlastete Knotenpunkte im Bahnnetz, aber auch externe Ursachen wie Suizide, Polizei-Einsätze und Wetter-Kapriolen bremsen die Züge aus.
Bislang kommt die Bahn nach eigener Statistik in diesem Jahr auf 76 Prozent pünktlicher Fernzüge. »Keine Frage, das ist unbefriedigend«, bekannte Lutz. Das Jahresziel von 82 Prozent hat er längst aufgeben und durch 80 Prozent ersetzt. Doch im Juli sacke die Quote sogar auf 72,1 Prozent ab.
Auch der Bund als Eigentümer der Bahn zeigt sich unzufrieden. »Das muss besser werden, und das wird es auch«, betonte erst am Mittwoch Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann. Eine Ursache sieht er im früheren Sparkurs. »Unter dem Abbau von Schienenwegen in der Ära Hartmut Mehdorn leiden wir heute noch«, sagte Ferlemann der »Welt«. Bei Störungen gebe es nicht genug Umfahrungsmöglichkeiten.
Lutz spricht von einem Dilemma. »Während wir immer mehr Baustellen haben, nimmt erfreulicherweise die Zahl der Reisenden zu.« Im ersten Halbjahr unternahmen die Kunden 70,9 Millionen Fahrten in ICE- und Intercity-Zügen, so viele wie nie. Die Infrastruktur werde knapp, etwa in Nordrhein-Westfalen. »Sind Strecken stark befahren, sorgt schon ein verspäteter Zug im ganzen System für Verzögerungen.«
Der Bahnchef nannte die Vorgabe der Bundesregierung »anspruchsvoll«, bis 2030 die Fahrgastzahl zu verdoppeln. »Wir werden die Verdoppelung schaffen, und wenn es das eine oder andere Jahr länger dauert, wäre es immer noch einen fantastische Wachstumsgeschichte.«
Im Mai hatte die Bahn eine »Super«-Preisoffensive angekündigt - auch, um im harten Wettbewerb mit Fernbussen und Billigfliegern zu punkten. Dazu gehören seit diesem Monat Sparpreise auch außerhalb von Aktionen und mehr »City-Tickets«, die den kostenlosen Anschluss im Nahverkehr des Zielorts mit Bus, Straßenbahn, U- der S-Bahn erlauben.
Lutz kündigte am Donnerstag auch an, die Bahn wolle sich mit ihrem Glasfasernetz am Ausbau des schnellen Internets in Deutschland beteiligen. »Wir haben an unseren 33.000 Kilometern Streckennetz bisher 18.500 Kilometer mit Glasfaser ausgerüstet. Diese Glasfasern sind nicht vollständig von der Bahn ausgelastet.«
Die Vermarktung könnte eine Milliardensumme einbringen. »Und mit diesen zusätzlichen Mitteln könnte man den weiteren Ausbau des Breitbandnetzes mitfinanzieren«, ergänzte Lutz. Zuvor hatte der »Spiegel« berichtet, dass die Bahn ihr Glasfasernetz für den Breitbandausbau anbieten wolle und nach einem Partner in der Telekombranche suche. Die Mobilfunkbetreiber bräuchten dringend Glasfaserverbindungen, um das neue 5G-Mobilfunknetz aufzubauen. Lizenzen für das 5G-Netz will der Bund im kommenden Jahr versteigern. (dpa)