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Abfertiger wollen nur die Hälfte der Flughafen-Hilfskräfte

Tagelang wurde politisch gerungen, um schnell 2000 Aushilfsarbeiter für deutsche Flughäfen in der Türkei zu rekrutieren. Nun wird höchstens die Hälfte der Kräfte gebraucht.

Reiseverkehr
Und dabei wollen sie nur in den Urlaub: Das Reisechaos an den Flughäfen kostet viel Geld und Nerben. Foto: Patrick Pleul
Und dabei wollen sie nur in den Urlaub: Das Reisechaos an den Flughäfen kostet viel Geld und Nerben.
Foto: Patrick Pleul

Obwohl das Flugchaos ungebremst weiterläuft, wollen die Bodenverkehrsdienstleister nur etwa die Hälfte der angekündigten Aushilfskräfte aus der Türkei einstellen. Die Unternehmen hätten weniger als 1000 Helfer angefordert, sagte der Chef des Arbeitgeberverbandes ABL, Thomas Richter.

Ebenfalls am Donnerstag kündigte die Lufthansa weitere Flugstreichungen für die kommenden sieben Tage an, um das System zu stabilisieren, wie ein Sprecher erläuterte. Zudem sollen vier Frachtflüge aus dem überlasteten Frankfurt nach München verlegt werden. Der Lufthansa-Aufsichtsratschef rief die Mitarbeiter auf, die Probleme gemeinsam anzugehen.

Im Bundestag forderten Politiker dauerhafte Lösungen. Die Union forderte die Regierung auf, umgehend einen »Flugreisegipfel« mit den zuständigen Ministern einzuberufen. Ein entsprechender Antrag wurde im Bundestag abgelehnt. Der Linke-Politiker Pascal Meiser forderte vor allem die Luftverkehrsunternehmen zum Handeln auf. Er sprach von einem maroden System mit miserablen Arbeitsbedingungen.

Bedarf höher angesetzt als gebraucht

In der Frage der Aushilfsarbeiter war nach Gesprächen mit drei Bundesministerien stets von einem Bedarf von rund 2000 Menschen die Rede gewesen. Sie sollten möglichst schnell zu deutschen Tarifbedingungen vor allem in der Türkei angeworben werden, um an den deutschen Flughäfen das Abfertigungschaos zu lindern. Nach den Verhandlungen verzichtet die Arbeitsagentur auf eine Prüfung, ob für die Jobs nicht doch deutsche Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Bestehen bleiben aber die Sicherheitsüberprüfungen durch die Länderbehörden.

Bei der konkreten Umsetzung der Aktion habe sich herausgestellt, dass sich die Firmen teils höhere Anforderungsprofile vorgestellt hätten, sagte ABL-Verbandschef Richter. Dabei sei von Anfang an klar gewesen, dass es nur um »helfende Hände« etwa bei der Gepäckverladung gehen könne. Auch komme für manche Anbieter die Unterstützung zu spät. Er rechne zwar mit ersten Einsätzen bereits im August, aber der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport geht bislang von September aus.

Die größeren Anbieter hätten ihren Bedarf angemeldet, hatte der Flughafenverband ADV mitgeteilt, ohne Zahlen für einzelne Standorte zu nennen. Nicht dazu gehört der Dienstleister Wisag, der in Berlin, Frankfurt, Köln, Hamburg, Münster und Leipzig Bodenverkehrsdienste anbietet. »Wir sind organisatorisch und personell für unsere Kunden gut aufgestellt, sofern kurzfristige starke Erkrankungswellen ausbleiben«, sagte eine Sprecherin.

Nur »Tropfen auf den heißen Stein«

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz sagte: »Deutschland steckt im Reisechaos.« Die Zuwanderung von Fachkräften aus der Türkei sei ein Tropfen auf den heißen Stein. Es brauche langfristig mehr Zuwanderung. Der Linke-Politiker Meiser sagte, Luftverkehrsunternehmen hätten in der Pandemie viele Leute entlassen, die nun nicht zurückkehrten. Viele Tätigkeiten etwa in der Gepäckabfertigung seien Knochenjobs.

Die Dienstleister für die Passagier- und Gepäckkontrollen wollen wieder mehr Personal einstellen. »Wir haben zwischen 90 und 95 Prozent des Personals, das wir Ende 2019 an Bord hatten, auch jetzt wieder an Bord«, sagte der Präsident des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen, Udo Hansen. Das sei grundsätzlich genug Personal angesichts der Tatsache, dass der Verkehr noch bei etwa 70 Prozent des Vor-Corona-Niveaus liege. Die Branche bemühe sich sehr, wieder 100 Prozent zu erreichen. Suche und Ausbildung dauerten aber mehrere Monate.

Lufthansa-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley sprach sich dagegen aus, gegenseitig die Fehler aufzurechnen. Er schilderte die Probleme im Luftverkehr als vielfältig und branchenweit. Das sei in der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch auch anerkannt worden. »Einen Tag fällt das weltweite Reservierungssystem aus, am nächsten ist der französische Luftraum gesperrt. Und alles kommt immer oben drauf. Dafür gibt es keine Zauberformel, nur harte Arbeit im Detail.«

© dpa-infocom, dpa:220707-99-935832/4