Dresden/Bamberg/Paris (dpa) - Mit der Dresdner Frauenkirche, der Kathedrale von Reims oder der Grabtuchkapelle in Turin sind in der Vergangenheit bedeutende Baudenkmäler Bränden zum Opfer gefallen.
Wie jetzt bei Notre-Dame in Paris vernichtete im Ersten Weltkrieg ein Feuer den Dachstuhl der von deutscher Artillerie getroffenen Kathedrale von Reims: Das Bleidach schmolz, mittelalterliche Glasfenster barsten. Der Wiederaufbau ist eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht: denkmalpflegerisch, technisch, restauratorisch. Für das Pariser Wahrzeichen hoffen Experten darauf, dass Rekonstruiertes mit Bestehendem und Bewahrtem verbunden wird.
Bei der 1945 von Feuer und Hitze zerstörten Dresdner Frauenkirche dauerte die Rekonstruktion elf Jahre vom ersten Stein bis zum Abschluss des Innenausbaus 2005. Die hervorragende Dokumentation des verlorenen spätbarocken Gotteshauses, »bestes sächsisches Handwerk, moderne Technik und verwendbare Trümmersteine« ermöglichten den originalgetreuen Wiederaufbau, sagt Eberhardt Burger. Der 75-Jährige hat das Projekt gemanagt. »Die Verbindung des von den Vorfahren Überlieferten mit heutigem Wissen war eine ideale Grundlage.«
Der verlorene Dachstuhl, eingestürztes Gewölbe, dazu Brand- und Wasserschäden nicht nur an der Architektur sowie der Zustand des Mauerwerks seien in Notre-Dame entscheidend, sagt Kunsthistoriker Stephan Albrecht von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. »Der Kalkstein war großer Hitze ausgesetzt, und durch das geschmolzene Blei und den immensen Dachstuhl ist fraglich, ob es noch trägt.« Dazu komme, dass die gotische Kathedrale ein Konglomerat aus dem 12., 13. und 19. Jahrhundert ist, mit jeweils anderen Technologien.
»Für die meisten Teile gibt es keine originalen Baupläne oder -zeichnungen«, berichtet Albrecht, der seit Jahren an dem Bauwerk forscht. Auch nicht vom verlorenen Dachstuhl, der auf eine Holzkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert zurückging. »Die Form kann man natürlich kopieren, die Substanz aber ist weg.« Und mit ihr viele für eine Nachbildung unverzichtbare Informationen zur Oberfläche, zur Beschaffenheit, zur Fertigung.
Immerhin haben Albrecht und sein Team gerade die Wände eines Querhauses mit Scannern in 3D vermessen. »Das ist jetzt ein Glücksfall, wir können sagen, wie das Mauerwerk über ziemlich große Strecken ausgesehen hat.« Mit einem weiteren Scan könne ermittelt werden, wie sich die Katastrophe ausgewirkt und die Wand verformt haben. Nicht nur er hofft, dass trotz enormer Solidarität und vielen Spenden nichts überstürzt und eine genaue Bestandsaufnahme gemacht wird vor der Rekonstruktionsentscheidung.
»Notre-Dame, wie man es kennt, ist verloren und das, was wieder kommt, ist eine Kathedrale mit ergänzter Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau, und das wird man auch sehen«, sagt Albrecht. Wie bei vielen kriegsgeschädigten Gotteshäusern in Deutschland: »Damals musste alles relativ schnell gehen, da hat man großzügig ausgetauscht.«
Nach Angaben von Denkmalpfleger Gerhard Viken von der Bamberger Universität ist bei solchen Projekten entscheidend, sie wetterfest zu machen und die Statik zu erhalten. »Es ist die ungeheuer komplexe Aufgabe von der Erfassung bis zur Technologie in einem Denkmal, was so höchstrangig und zugleich komplex und fragil ist.« Das könne nur ein interdisziplinäres Team.
Der Verband der Restauratoren mahnt, so viel wie möglich von der historischen Substanz zu konservieren und zu restaurieren und bietet Erfahrung und Expertise an. »Die Mauern, die Malerei und Dekoration sind Träger von Geschichte«, sagte Präsident Jan Raue. Vom Dachstuhl sollte alles, was zu retten ist, geborgen werden. Man müsse schauen, ob ein Teil der originalen Hölzer wiederverwendet werden kann. »Ich möchte appellieren, sich Zeit zu lassen.« Neben Wasser sind auch Ruß und Staub, die Architektur, Kunstwerke und Oberflächen eine Herausforderung, die Sorgfalt erforderten.
Ein großes Hindernis beim Wiederaufbau der ausgebrannten Kathedrale Notre-Dame in Paris könnte der Fachkräftemangel werden. »Ein Riesenproblem ist dabei, dass die handwerklichen Fähigkeiten dünn gesät sind, um die vielen Kräfte mobilisieren zu können, die einen raschen Wiederaufbau ermöglichen«, sagte der Vorsitzende der Vereinigung der Europäischen Dombaumeister, Wolfgang Zehetner, dem österreichischen Magazin »trend«.
Doch Europas Dombauhütten bieten ihre Hilfe und ihr geballtes Fachwissen an. »Der Verlust ist eine europäische Tragödie, als Europäer wollen wir die Hand reichen«, sagte der Kölner Dombaumeister Peter Füssenich und verwies darauf, dass es in Frankreich nur noch eine solche Einrichtung gebe: »Es ist eine europäische Aufgabe.«