Die Zahl der Toten und Verletzten bei Verkehrsunfällen ist wieder deutlich gestiegen. Auf den Straßen in Deutschland starben vergangenes Jahr 2782 Menschen, 9 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden unter Berufung auf vorläufige Zahlen mitteilte. Verletzt wurden demnach rund 358.000 Menschen - das ist ein Anstieg um 11 Prozent. 2021 hatte es in der Corona-Pandemie mit Lockdowns, Homeoffice und Homeschooling weniger Verkehr gegeben, die Zahl der Toten auf den Straßen war auf einen historischen Tiefstand gesunken.
Das Jahr 2022 erreichte noch nicht den Stand des Vor-Corona-Jahres 2019, wie das Bundesamt mitteilte. Die Zahl der bei Unfällen Getöteten lag 9 Prozent unter dem Wert aus diesem Jahr, die der Verletzten 7 Prozent darunter. Insgesamt registrierte die Polizei im vergangenen Jahr rund 2,4 Millionen Unfälle, 4 Prozent mehr als 2021, wie die Statistiker berichteten. Im Vergleich zum Jahr 2019 ergibt sich ein Rückgang um 11 Prozent.
Wegen des geringen Verkehrs in den Corona-Jahren sei der Vergleich zum Jahr 2019 der eigentlich aussagekräftige, sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Die Gesamtzahl der 2022 gefahrenen Kilometer habe Schätzungen zufolge nur noch 4,7 Prozent unter dem Wert von 2019 gelegen. Bei der Zahl der Unfälle, bei denen Menschen getötet oder verletzt wurden, ergäben sich damit keine dramatischen Entwicklungen: Sie lag 2022 um einen ähnlichen Wert, vier Prozent, unter dem Niveau des Jahres 2019.
Fahrer von Pedelecs besonders gefährdet
Ziel sei Brockmann zufolge aber, dass es künftig weniger Unfälle gibt. Deshalb müssten die Anstrengungen verstärkt werden und der Ausbau der Radinfrastruktur vorangetrieben werden, insbesondere an Kreuzungen und Einmündungen. Kritisch beobachtet werden müsse die Situation bei den Pedelecs, sagte Brockmann. Die Zahl der Fahrräder mit Hilfsmotor habe sich zwischen 2019 und 2022 in etwa verdoppelt, sei also um rund 100 Prozent gestiegen. Die Zahl der Verunglückten - Verletzte und Getötete - sei in diesem Bereich im Vergleich der Zeiträume Januar bis November um 117 Prozent und damit leicht überproportional angestiegen.
Eine Helmpflicht sei angesichts der Zahlen nicht gerechtfertigt, sagte der Experte. Es sei aber dringend zu empfehlen, einen zu tragen. Pedelecs würden zunehmend auch von Jüngeren genutzt, hinzu komme der Trend zu Lastenrädern zum Transport von Kindern oder Waren. Bisher gebe es keine Begrenzung Größe und Gewicht betreffend. Dies müsse der Gesetzgeber nachholen und limitieren, was im Sinne des Gesetzes noch ein Fahrrad sei.
Mehr Sicherheit für Fußgänger hilft
Dass Umbauten der Infrastruktur nützten, könnten die Zahlen bei den Fußgängern zeigen, sagte Brockmann. Beim Vergleich des Zeitraums Januar bis November der Jahre 2019 und 2022 gab es hier einen Rückgang bei den Verunglückten um elf Prozent. Grundlage hierfür könnten die verstärkten Bemühungen um mehr Sicherheit für Fußgänger sein, wie Überwege, Ampeln und Mittelinseln auf Straßen.
Gefährdete Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer brauchen nach Ansicht des Deutschen Verkehrssicherheitsrats weiterhin mehr Schutz. Der Verkehr solle an den Orten stärker überwacht werden, die laut Daten der Polizei ein besonderes Risiko darstellten. Für eine nachhaltige Senkung der Unfallzahlen solle dann an diesen Orten die Infrastruktur umgebaut werden. Der TÜV-Verband verwies auf das Ziel der Bundesregierung, die Zahl der Verkehrstoten in der laufenden Dekade um 40 Prozent zu senken. Davon sei Deutschland meilenweit entfernt. Bund und Länder müssten ihr Engagement für die Verkehrssicherheit deshalb erhöhen.
Der Auto Club Europa (ACE) forderte einen signifikanten Ausbau der Radinfrastruktur in ganz Deutschland, zudem eine Helmpflicht für alle Zweiradfahrer. Mit Blick auf das wieder steigende Verkehrsaufkommen mahnte Kerstin Hurek, die Leiterin der Abteilung Verkehrspolitik des ACE: »Noch ist das Niveau vor Corona nicht wieder erreicht, aber wir sind auf dem Weg dorthin.«
© dpa-infocom, dpa:230224-99-721403/6