»Hier beginnt der Main, nur Wasser darf rein!« Mit diesem an Gullys gesprühten Spruch will die Stadt Würzburg dafür sensibilisieren, dass Zigaretten nicht in die Natur gehören. »Viele Raucher scheinen Gullydeckel als Mülleimer für ihre Kippen anzusehen und verkennen die Belastung für den Wasserhaushalt«, sagt Pressesprecher Georg Wagenbrenner.
Die Zahl der Raucherinnen und Raucher geht stetig zurück - besonders bei Jugendlichen. Aber im Stadtbild sind die Überbleibsel des Rauchens weiter überall sichtbar. Zigarettenstummel sind laut Studien vielerorts der am häufigsten achtlos in die Umwelt geworfene Müll. Sie liegen an Stränden und in Wäldern, in Innenstädten und an Bushaltestellen, vor Gastronomien und an touristischen Sehenswürdigkeiten.
Durchschnittlich drei Zigaretten pro Quadratmeter fanden Forscher vor einigen Jahren in Berlin - das Maximum waren 49 pro Quadratmeter. Weltweit werden Schätzungen zufolge jedes Jahr 4,5 Billionen Zigaretten in die Umwelt geworfen. Am Ende landen sie durch Wind und Regen meist in Flüssen und Meeren. Eine einzige Zigarette kann einer Studie zufolge 1000 Liter Wasser verunreinigen. Bis zu 7000 Chemikalien und Schadstoffe kann sie laut Studien freisetzen, darunter krebserregende Substanzen.
Für Wasserbewohner wie Fische, Larven und Mikroorganismen können Kippen tödlich sein. Bei Wattwürmern wurden mögliche Veränderungen des Erbgutes nachgewiesen. Wenn Speisefische kleinste Partikel fressen, könnte der Zigarettenmüll auch in der menschlichen Nahrungskette landen. Aufgrund giftiger Stoffe misst das Umweltbundesamt Zigaretten bei der Reduzierung von weggeworfenem Müll - sogenanntem Littering - »besondere Bedeutung« zu.
Filter bringen Mikroplastik in die Natur
Problematisch sind laut Forschern vor allem die Filter. Sie bringen unter anderem Mikroplastik in die Natur. Einige Forscherinnen und Forscher rufen daher dazu auf, Zigarettenfilter zu verbieten. »Zigarettenfilter sind ein Marketingmittel, keine gesundheitsschützende Maßnahme«, schrieb eine internationale Wissenschaftlergruppe im März. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont, dass Behauptungen, gefilterte Zigaretten seien »gesünder«, falsch sind. Eine Alternative aus Umweltsicht könnten biologisch abbaubare Filter sein.
Auch touristische Regionen plagt das Zigarettenmüll-Problem. Auf Nachfrage berichten mehrere von Beschwerden - von Besuchern wie von Einheimischen. Die Bayerische Schlösserverwaltung schildert, dass unter anderem an Parkbänken Zigaretten auf den Boden geworfen und zurückgelassen würden. »Oftmals werden auch Pflanzenkübel als Aschenbecher genutzt, was neben der negativen ästhetischen Wirkung die Pflanzen schädigen kann und zu erhöhtem Pflegeaufwand führt«, sagt eine Sprecherin. In Köln ist nach Stadtangaben das Aufsammeln der Kippen bei Kopfsteinpflaster eine Herausforderung, etwa in der bei Touristinnen und Touristen beliebten Altstadt.
Bei sogenannten Clean-up-Aktionen, die es inzwischen vielerorts gibt, sammeln Menschen ehrenamtlich die Kippen - und anderen Müll - ein. In Sozialen Medien kann man ihnen unter Stichwörtern wie »Litterpicking« (Müllsammeln) folgen. Oft sind es Privatpersonen. Aber auch Vereine, Parteien, Künstlerinnen und Künstler und Jugendgruppen gehen ans Werk. Aufsammeln mindert das Problem jedoch nur teilweise. Viele Schadstoffe sind dann schon in die Umwelt gelangt.
Mehr Aschenbecher und kreative Lösungen
Wissenschaftler plädieren daher für mehr Aufklärung: Viele Raucherinnen und Raucher wüssten nicht, dass die Filter aus Plastik bestehen und die Umwelt belasten. In einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes 2018 gab jede fünfte Person an, zu glauben, dass Zigarettenkippen die Umwelt nicht belasten, da sie sich auf natürliche Weise im Wasser und in der Natur zersetzten.
Viele Kommunen setzen im Kampf gegen die Kippen neben Aufklärung sowie höheren Bußgeldern auf zusätzliche Aschenbecher. Alleine Sylt gibt nach eigenen Angaben jedes Jahr 10.000 Strandaschenbecher aus. Köln berichtet, dass vor dem Hauptbahnhof durch mehr Aschenbecher »eine extreme Verbesserung« erzielt werden konnte. Studien zufolge helfen zudem Hinweisschilder mit Aufschriften wie »Wirfst du deinen Müll in die Umwelt?« oder »Wirf ihn hier rein«. Manche Städte verteilen auch kostenlose Taschenaschenbecher.
Einen spaßigen Aspekt sollen Aschenbecher vermitteln, die wie eine Umfragebox gestaltet sind: mit einer Frage und zwei Kippenschlitzen (sogenannte Ballot Bins). Beispielsweise die »Ostseeascher« an Ostseestränden mit Fragen wie »Bist du hier a) einheimisch oder b) im Urlaub«. Auch der Nationalpark Bayerischer Wald hat solche Umfrage-Kippenkästen aufgebaut. Zum Beispiel mit der Frage »Welches Tier bringt mehr auf die Waage - Braunbär oder Elch?«. Das Gewicht aller seit 2019 so gesammelten Kippen liegt laut Nationalparkverwaltung derzeit bei einer Tonne.
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