Chiang Rai (dpa) - Das Höhlendrama von Thailand wird zum Wettlauf mit der Zeit. Die Lage ist brenzlig. Einiges spricht für einen baldigen Versuch, die zwölf eingeschlossenen Jungen und ihren Fußballtrainer zu bergen. Sie sitzen seit zwei Wochen in einer Höhle fest. Die Wettervorhersage setzt die Retter unter Zeitdruck.
Der Zeitpunkt für einen Rettungsversuch sei gerade günstig, sagt der Leiter der Mission am Samstagabend (Ortszeit). Aber eine Entscheidung für einen Einsatz ist immer noch nicht gefallen. Über Stunden durch die überflutete Höhle zu tauchen, könnte lebensgefährlich für die geschwächten Jungen sein. Abwarten ebenfalls.
Der Missionsleiter, Provinzgouverneur Narongsak Osotthanakorn, ist in einer schwierigen Lage. Derzeit seien die Bedingungen für eine Rettung - was den Wasserstand und den Gesundheitszustand der zwölf Jungen und ihres Trainers angehe - »sehr geeignet«. Aber die Diskussionen und Vorbereitungen dauerten noch an.
Wie lange müssen die Jugendlichen noch in Nässe und Dunkelheit ausharren? Vor der Höhle selbst ist am Samstag nur wenig Bewegung. Hubschrauber, die in den vergangenen Tagen über den Bergen kreisten, sind keine zu sehen. Wenig auskunftsfreudige Behördenvertreter sagen nur, alle Möglichkeiten würden geprüft. Das Gefühl, die Rettungsaktion stehe unmittelbar bevor, liegt nicht in der Luft.
Als Chef der Rettungsmission würde Narongsak den Beginn des Bergungseinsatzes lieber noch etwas verzögern, meinte er noch am Morgen des Samstags. Die Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren und ihr Betreuer seien nicht ausreichend geübt im Tauchen, um den strapaziösen Weg aus der dunklen, kilometerlangen Höhle ins Freie zu wagen, für den selbst Elite-Einheiten der Marine fünf bis sechs Stunden brauchen. Der Tod eines erfahrenen Tauchers in der Höhle am Freitag lastet schwer auf den Helfern.
Gleichzeitig läuft den Rettungsmannschaften aber die Zeit davon. In den vergangenen Tagen war es rund um die Höhle Tham Luang-Khun Nam Nang Non in der nördlichen Provinz Chiang Rai trocken geblieben. Für die kommenden Tage sagt der Wetterbericht wieder heftige Regenfälle in der bergigen Region an der Grenze zu Myanmar voraus. Das bedeutet oft Stunden dauernde, starke Wolkenbrüche. Das Regenwasser dringt durch das Gestein in die Höhle ein, rasch kann der Wasserstand steigen. Ein möglicher Tauchgang durch enge, verwinkelte Höhlenpassagen wird damit noch gefährlicher.
»An manchen Stellen wird es sehr eng«, sagt der dänische Rettungstaucher Ivan Karadzic, einer von vielen ausländischen Helfern und Bergungsspezialisten, die sich vor der Höhle bereithalten. »Man muss entweder den (Atemluft-)Tank abnehmen und ihn zuerst durchquetschen, oder man braucht Spezialausrüstung.«
Die Gruppe sitzt auf einer trockenen Stelle etwa 4 Kilometer im Höhleninneren fest, seit ihnen am 23. Juni eine Sturzflut den Weg ins Freie versperrt hatte. Steigt das Wasser, wird es auch dort eng. Die Gruppe müsste sich dann auf weniger als 10 Quadratmetern zusammendrängen, schätzen Taucher, die die Jugendlichen mit dem Nötigsten versorgen.
Längerfristig ist keine Entspannung in Sicht, denn von Juni bis November herrscht Regenzeit in Thailand. Das Wasser ist nicht die einzige Sorge, die die Helfer plagt. Am Zufluchtsort der Jungen wird der Sauerstoff knapp. Von normal 21 Prozent sank er bereits auf 15 Prozent, sagte Narongsak kürzlich. Auch die hygienischen Zustände seien erbärmlich, berichtete die Zeitung »The Nation«. Jeder aus der Gruppe müsse sich auf engstem Raum erleichtern. Bakterien, Viren und Pilze können sich leicht ausbreiten.
Trotz der Komplikationen bevorzugen die Rettungskräfte derzeit eine Bergung durch Taucher. Sollte es regnen, bliebe für andere Szenarien auch gar keine Zeit mehr: Im Wettlauf mit dem Monsun wären die Wasserpumpen zur Senkung des Pegels chancenlos. Die Bohrung eines 600 Meter langen Rettungsschachts würde viel zu lange dauern. Auch die Suche nach einem alternativen Höhlenzugang blieb bislang erfolglos.
Den seit Tagen vor der Höhle ausharrenden Angehörigen überbrachte ein Rettungstaucher nun einen handgeschriebenen Zettel mit persönlichen Botschaften der Jungs. »Macht euch keine Sorgen, wir sind alle stark«, heißt es in dem Brief, der am Samstag auf der Facebook-Seite der thailändischen Spezialeinheit Navy Seals veröffentlicht wurde. Der Trainer bat die Familien seiner Schützlinge um Verzeihung und versprach, sich bestmöglich um die Jungs zu kümmern. »Derzeit geht es ihnen allen gut«, versicherte Ekapol Chanthawong.
Einen Brief schrieb auch der 13 Jahre alte Sohn des thailändischen Königs, Prinz Dipangkorn Rasmijoti. Der Prinz, der viel Zeit im Jahr in Bayern verbringt, verfasste den Text auf Deutsch. »Liebe Kinder, ihr hattet sicher große Angst, aber ich habe immer an euch gedacht«, schrieb Dipangkorn. »Ich bin überglücklich, dass ihr alle gesund seid«, hieß es in dem am 3. Juli geschriebenen Brief.
Rettungsbohrung wäre viel schwieriger als 2010 in Chile