Politik wird meist von Männern dominiert. Auch im Jahr 2022 ist dies immer noch so, auch wenn es in Europa mehr und mehr Frauen in politischen Führungspositionen gibt. Momentan werden immerhin acht Regierungen in Europa von Frauen angeführt, vor allem Skandinavien und die baltischen Staaten stechen hier hervor. GEA-Redakteurin Katharina Link stellt zum Weltfrauentag Europas Frauen an der Macht vor.
Katrín Jakobsdóttir in Island
Katrín Jakobsdóttir ist seit 2017 Premierministerin Islands. Die 46-Jährige war von Februar 2009 bis Mai 2013 Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur und ist seit 2013 Vorsitzende der Links-Grünen Bewegung.
Jakobsdóttir ist in Island sehr beliebt, erst Ende letzten Jahres wurde sie als Premierministerin wiedergewählt. Nach mehreren politischen Skandalen in der Vergangenheit war unter der Regierungschefin in den letzten vier Jahren wieder Stabilität eingekehrt.
Sanna Marin in Finnland
Sanna Marin ist die jüngste Ministerpräsidentin in der Geschichte ihres Landes und war zum Zeitpunkt ihres Amtseintritts mit 34 Jahren sogar die jüngste Regierungschefin weltweit. In Finnland ist dies nicht wirklich eine Sensation, Marin ist immerhin die dritte Ministerpräsidentin ihres Landes.
Vielmehr sticht eine weitere Besonderheit hervor: Alle vier Koalitionspartner der finnischen Fünf-Parteien-Regierungskoalition haben Frauen als Vorsitzende. Drei von ihnen sind unter 40 Jahre alt. Marin ist seit 2019 Ministerpräsidentin von Finnland und gleichzeitig Parteivorsitzende der Sozialdemokraten.
Magdalena Andersson in Schweden
Magdalena Andersson ist seit November 2021 Ministerpräsidentin von Schweden und inzwischen auch Vorsitzende der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SAP). Man mag es kaum glauben, doch Andersson ist tatsächlich Schwedens erste weibliche Ministerpräsidentin.
Schweden war bis zu ihrer Wahl das letzte Land im Norden Europas, das noch nie von einer Frau regiert wurde. Das wurde nun auch an der Zeit, bezeichnet sich die schwedische Regierung doch schon seit Jahren als »feministisch« und stellt die Gleichstellung von Männern und Frauen ins Zentrum ihrer Arbeit.
Kaja Kallas in Estland
Kaja Kallas ist seit Januar 2021 Premierministerin von Estland. Die 44-Jährige ist Estlands erste weibliche Premierministerin. Die Juristin bezeichnete in ihrer ersten Rede vor dem Parlament die Überwindung der Corona-Pandemie als Hauptaufgabe der neuen Regierung.
Leiten Kallas und Simonyte in den baltischen Staaten die Trendwende ein?
Weibliche Regierungschefs in Estland und Litauen als Erbe starker Frauen der ehemaligen Sowjetunion? Auch, wenn im Moment zwei von drei baltischen Staaten von Frauen regiert werden, ist dies für die Politologin Corinna Kröber kein Anzeichen dafür, dass Frauen in dieser Region besonders erfolgreich in der Politik sind. Eher im Gegenteil: Kallas sei die erste Premierministerin Estlands, Simonyte hatte zwar bereits zwei weibliche Vorgängerinnen, diese blieben jedoch nur sehr kurz im Amt.
»Während in beiden Regierungen mehr Frauen sind als in früheren Regierungen in Estland und Litauen, bleibt der Frauenanteil unter den Ministern dort hinter vielen mitteleuropäischen Ländern zurück«, so Kröber. Ob die beiden Frauen an den Regierungsspitzen nun eine Trendwende in den baltischen Staaten einleiten, bleibe abzuwarten. (GEA)
Außenpolitisch soll Estland fest auf EU- und Nato-Kurs bleiben. Neben Kallas sitzen sechs Frauen und acht Männer am Kabinettstisch. Die Vorgängerregierung war wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten.
Ingrida Simonyte in Litauen
Ingrida Simonyte ist Wirtschaftswissenschaftlerin und gilt als konservativ. Sie trat bei der letzten Wahl als Kandidatin für die Partei der Heimatunion an. Von 2009 bis 2012 war Simonyte Finanzministerin, seit November 2020 ist sie nun Premierministerin ihres Landes.
Natalia Gavrilita in der Republik Moldau
Natalia Gavrilita ist seit August 2021 Regierungschefin Moldawiens. Die studierte Rechtswissenschaftlerin und Harvard-Absolventin war in der Vergangenheit als Beraterin für die Weltbank und der EU-Kommission tätig. Gavrilita gilt als proeuropäisch. Bei ihrer Vereidigung sagte sie der Korruption in ihrem Land den Kampf an.
Ana Brnabic in Serbien
Ana Brnabic ist seit 2017 Premierministerin Serbiens und gehört seit 2019 der Serbischen Fortschrittspartei an. Die Schlagzeilen waren Brnabic schon vor ihrem Amtsantritt sicher.
Mit der damals noch parteilosen Wirtschafts- und Verwaltungsfachfrau übernahm in Serbien erstmals eine Frau die Regierungsgeschäfte, die sich zudem offen zu ihrer Homosexualität bekannte. Brnabic gilt als äußerst kompetent und international gut vernetzt.
Mette Frederiksen aus Dänemark
Mette Frederiksen ist Vorsitzende der dänischen Sozialdemokraten und nach Helle Thorning-Schmidt seit 2019 die zweite Frau an der Spitze des Landes. Die Ministerpräsidentin ist in Dänemark und auch unter europäischen Sozialdemokraten nicht unumstritten, steht sie doch einerseits für eine linke Sozialpolitik, setzt aber auf der anderen Seite auf eine sehr restriktive Einwanderungspolitik. Die dänische Politikerin gilt als besonders durchsetzungsstark. (GEA)
Skandinavien als Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung
Finnland, Schweden, Dänemark. Und auch Island, wenn man die Insel zur kulturellen Gemeinschaft Skandinaviens zählt: alle haben sie momentan weibliche Regierungschefinnen. Doch woran liegt das? »In Skandinavien können wir beobachten, dass Ideen über die Gleichheit von Mann und Frau besonders weit verbreitet sind – weiter, als dies in Mitteleuropa, Südeuropa und anderen Regionen der Welt der Fall ist«, sagt Corinna Kröber, Juniorprofessorin und Dozentin für Vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Greifswald.
Gute Betreuungsangebote für Kinder und familienfreundliche Arbeitszeiten sorgen außerdem dafür »dass Familienplanung und politische Karriere auch für Frauen nicht im Widerspruch stehen«. Doch auch im Norden verdienen Frauen noch immer weniger als Männer, auch in den Chefetagen der Privatwirtschaft sind sie noch unterrepräsentiert. Am Ziel sind Frauen also auch im Norden Europas noch lange nicht – aber immerhin schon ein ganzes Stück weiter als im Rest Europas. (GEA)