BERLIN. Die Schauspielerin Maria Furtwängler räumt gerne mit altmodischen Rollenbildern auf. Ihr ist aufgefallen, dass die digitalen Assistenten aus dem Lautsprecher auf Alexa, Siri und Cortana hören - überall Frauen. »Ich frage mich, ob künstliche Intelligenz uns zu mehr Diversität verhilft oder gängige Stereotypen zementiert«, sagte Furtwängler kürzlich in einer Rede bei einer Konferenz in München. Warum die Assistenzsysteme alle weiblich seien, fragte sie. »Sie könnten doch auch Hubert, Bernhard oder Yossi heißen!«
Das war laut Teilnehmerangaben auch eine augenzwinkernde Anspielung auf die männlichen Gäste beim »DLD Chairmen's Dinner« und ihren Mann, den Verleger Hubert Burda. Aber Furtwängler, die sich schon mit Geschlechterbildern im Fernsehen und bei Youtube befasste, hat einen Punkt.
Warum eigentlich Siri, ein skandinavischer Frauenname? Und warum Alexa und nicht Alexander? »Sprachassistentinnen sind die digitalen Dienstmägde unserer Zeit«, findet der Klangforscher Holger Schulz von der Universität Kopenhagen. Im Radiosender Deutschlandfunk Kultur kritisierte er, dass die weibliche Stimme in die Rolle einer Assistentin zurück gedrängt werde.
Ein Praxistest: Bei Apple klingt die Computerstimme eindeutig weiblich. Wenn man Siri, das Sprachsystem im iPhone fragt, ob sie ein Mann oder eine Frau ist, sagt sie: »Lass dich durch meine Stimme nicht täuschen: Ich habe kein Geschlecht.« Alexa hat da eine eindeutige Antwort. Gefragt, ob sie eine Frau sei, antwortet der Lautsprecher: »Ich sehe mich als weiblich. In Stromkreisen würde man sagen: Ich bin Frauenpower aus der Steckdose.« Bei Google ist der Assistent namenlos.
Apple will grundsätzlich nichts dazu sagen, welche Prozesse zu einem Produktnamen führen. Aber der Hersteller verweist darauf, dass Siri sowohl mit weiblicher als auch mit männlicher Stimme genutzt werden kann. »Dies bleibt jedem Nutzer selbst überlassen.« Bei Amazon erklärt ein Sprecher, der Name Alexa komme von der Bibliothek Alexandria, einem Wissensuniversum. Was die Stimme angeht: »Überall auf der Welt haben Studien ergeben, dass die weibliche Stimme als angenehmer, freundlicher und entspannter wahrgenommen wird.«
Bei Microsoft heißt es, Cortana sei in erster Linie eine dialogorientierte Assistentin, die Nutzer bei verschiedenen Anforderungen unterstütze. Sie versteht sich laut Hersteller nicht als ausdrücklich weiblich, sondern allgemein als Wesen. Und: Die gesamte Persönlichkeit wird laut Microsoft an lokale Gegebenheiten angepasst. Die französische Cortana ist demnach anders als die japanische.
Miriam Meckel, Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, verweist ebenfalls auf eine Reihe von Studien, die zeigten, dass weibliche Stimmen als angenehmer wahrgenommen werden als männliche. Deshalb sei die Voreinstellung bei allen Sprachassistenten weiblich.
Das Problem ist für Meckel, dass diese eine Servicefunktion übernehmen, die im täglichen Umgang dadurch mit weiblich verbunden wird. »Da zunehmend auch Kinder im Umgang mit Alexa und Co aufwachsen, kann das einen Einfluss auf das Geschlechterrollenverständnis einer Gesellschaft haben«, erklärt die Buchautorin, die auch Gründungsverlegerin des Digitalmagazins »ada« ist.
Besonders drastisch habe sich dieses Problem am Beispiel sexueller Belästigung gezeigt, so Meckel. »Tatsächlich müssen sich die Sprachassistenten da einiges anhören.« Inzwischen arbeiteten die Hersteller daran, dass es darauf passende und nicht unangemessen höfliche Antworten gibt. »Macht man Siri heute ein unmoralisches Angebot, hört man: «Die Antwort lautet nein.»«
Das zeigt laut Meckel: »Auch in der Kommunikation und Interaktion mit Softwaresystemen sind Umgangsregeln wichtig. Wir lernen ja nicht nur von Menschen, sondern inzwischen auch von Maschinen.«
Für die modernen Systeme werden echte Stimmen genutzt, die dann technisch zu immer neuen Sätzen zusammengebaut werden. In der Technologie-Geschichte und in der Popkultur hat die Frauenstimme eine gewisse Tradition. Im Kinofilm »Her« (2013) verliebt sich Joaquin Phoenix in seiner Rolle in die Stimme eines Computersystems, gesprochen von Scarlett Johansson. Die Zeitansage am Telefon (ja, die gibt es noch) ist bis heute weiblich.
Die Berliner Forscherin Judith Meinschaefer erklärt das aus Sicht der Wissenschaft: »Frauenstimmen sind verständlicher als Männerstimmen.« Das liege daran, dass die Stimmlippen schneller schwingen. Die Frequenz von Signalen sei höher.
Dass Computersysteme Frauen in eine Assistinnenrolle bringen, ist keine Sache für Meinschaefer als Wissenschaftlerin. Aber sie hat eine Vermutung als Frau: Wahrscheinlich liege es daran, dass Männer sich mehr für Technik begeistern, und es passe vielleicht in deren Weltbild. Technisch sei es kein Problem, wenn Männerstimmen genutzt würden, so Meinschaefer.
Im Internet kann man sich angucken, dass es auch anders hätte kommen können. Siri und Alexa haben einen Großvater, wie ein altes Video von 1992 zeigt. Darin führen der damalige Apple-Chef John Sculley und der Computerwissenschaftler Kai-Fu Lee im Fernsehen ein Computersystem vor, mit dem man reden kann. Die Stimme klingt recht hoch. Aber das System heißt: Casper. (dpa)
Zitat von Maria Furtwängler auf der Facebook-Seite der Malisa-Stiftung
Holger Schulze bei Deutschlandfunk Kultur