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Vom Wilderer zum Mörder? - Todesschüsse auf Polizisten

Die Tat bei Kusel erschütterte das Land: Zwei Polistizen werden bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle erschossen. Die Ermittler gehen nur von einem Täter aus. Der Angeklagte präsentiert nun eine andere Version.

Polizistenmorde
Der 39-jährige Hauptangeklagte sitzt im Verhandlungssaal des Landgerichts Kaiserslautern. Foto: Uwe Anspach
Der 39-jährige Hauptangeklagte sitzt im Verhandlungssaal des Landgerichts Kaiserslautern.
Foto: Uwe Anspach

Nachts auf einer verlassenen Kreisstraße kontrollieren zwei Polizeibeamte einen Kastenwagen. Nur Augenblicke später sind beide tot, erschossen. Nun, ein halbes Jahr später, schildert Oberstaatsanwalt Stefan Orthen in brutalen Details die Tat.

Schon zum Prozessauftakt am Dienstag vor dem Landgericht Kaiserslautern deutet sich an: Es dürfte eine langwierige Aufarbeitung werden.

Schwere Vorwürfe

Laut Anklage verursachten Schüsse aus einer doppelläufigen Flinte und einem Gewehr schwerste Kopfverletzungen bei der 24-jährigen Polizistin und ihrem 29-jährigen Kollegen. Orthen gegenüber sitzen im Gerichtssaal zwei Männer, die von den beiden Polizisten in jener verhängnisvollen Nacht bei der Jagdwilderei erwischt worden waren.

Die Staatsanwaltschaft wirft einem 39 Jahre alten Mann vor, die junge Polizistin und ihren Kollegen bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle erschossen zu haben. Der deutsche Staatsangehörige habe aus Habgier gehandelt und die Jagdwilderei verdecken wollen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte in der Tatnacht mit einem 33 Jahre alten Komplizen zur Wilderei unterwegs war. Bei dem Jüngeren geht die Anklagebehörde unter anderem von versuchter Strafvereitelung aus - er soll beim Verwischen der Spuren geholfen haben.

Zum Prozessauftakt machte der 39-Jährige den Mitangeklagten für den Tod eines der Opfer verantwortlich. Sein Mandant habe bei dem Vorfall Ende Januar Schüsse gehört und sei »perplex« gewesen, sagte der Verteidiger des Mannes in einer Erklärung.

Die Polizistin und ihr Kollege waren den Ermittlungen zufolge bei einer nächtlichen Streifenfahrt auf ein stehendes Auto am Rand einer Kreisstraße aufmerksam geworden. Sie stiegen zur Kontrolle aus. Im Laderaum des Kastenwagens entdeckten sie zahlreiche getötete Wildtiere. Überraschend, so die Anklagebehörde, habe der 39-Jährige dann einen Schuss aus der Flinte »aus kurzer Entfernung auf den Kopf« der Polizeianwärterin abgegeben. Die Frau stürzte schwer verletzt auf die Straße.

Justiz: Beide Verdächtige flohen vom Tatort

Danach soll der Angeklagte zunächst mit der Flinte, dann mit einem Jagdgewehr auf den Polizeikommissar geschossen und ihn letztlich tödlich am Kopf getroffen haben. Der angeschossene Beamte hatte laut Anklage zunächst das Feuer erwidert, ohne aber zu treffen. »Die schießen«, hatte er noch in einem Funkspruch durchgegeben.

Als der 39-Jährige gemerkt habe, dass die Polizistin noch lebte, habe er mit der Flinte einen weiteren Schuss auf den Kopf der Frau abgegeben, hieß es. Die beiden Verdächtigen flohen der Justiz zufolge und wurden wenige Stunden später im nahen Saarland festgenommen.

Der Verteidiger des 39-Jährigen erklärte allerdings, sein Mandant habe zwar auch geschossen - aber »nur, um zu erreichen, dass nicht weiter auf ihn geschossen wird«, sagte er und beschrieb eine Art Notwehrsituation. Der 39-Jährige habe bei der unübersichtlichen Situation Mündungsfeuer gesehen und in diese Richtung gefeuert. Nach dem Vorfall bei Kusel habe er sich im Saarland den Behörden stellen wollen, aber zuvor mit seiner Frau sprechen wollen - ihm sei ein Spezialeinsatzkommando (SEK) zuvorgekommen und habe ihn festgenommen.

Der Verteidiger des 33 Jahre alten Komplizen wies die Darstellung als unzutreffend und »vorhersehbar« zurück. Es sei so gewesen, wie sein Mandant bei der Vernehmung geschildert habe. Darin hatte der Mann Jagdwilderei eingeräumt, aber bestritten, selbst geschossen zu haben. Gegen ihn war anfangs auch wegen der Morde ermittelt worden, diesen Vorwurf ließen die Ermittler später aber wieder fallen.

Beide Angeklagte der Jagdwilderei beschuldigt

Der 39-Jährige war den Behörden bereits zuvor unter anderem wegen des Verdachts der Jagdwilderei aufgefallen. Seit April 2020 durfte er nach Behördenangaben weder Waffen besitzen noch kaufen oder leihen. Auch seinen Jagdschein habe der Verdächtige nur bis Ende März 2020 besessen.

Die mutmaßlichen Tatwaffen waren im Saarland sichergestellt worden. Ermittelt wird nun auch gegen Ehefrau des 39-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung und Verstoßes gegen das Waffengesetz. Sie soll die Flinte 2021 gekauft sowie das Gewehr in einem Waffengeschäft im Saarland erworben haben - legal. Wie ihr Mann an die Waffen kam, ist Teil der Ermittlungen.

Beide Angeklagte werden außerdem der gemeinschaftlichen nächtlichen Jagdwilderei beschuldigt. Psychiatrische Gutachten ergaben keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit. Nach etwa einer Stunde vertagte das Gericht den Prozess auf nächsten Montag (27.6., 9.00 Uhr).

© dpa-infocom, dpa:220621-99-741575/4