Während der Anklageverlesung hält sich die 49-jährige Ärztin auf der Anklagebank die Ohren zu. Was die anderen Anwesenden im Saal des Landgerichts Hamburg zu hören bekommen, klingt wie aus einem Thriller: Um ihren ehemaligen Lebensgefährten töten zu lassen, habe die Angeklagte Anfang 2022 gemeinsam mit ihrem Ehemann versucht, im Darknet einen Auftragskiller anzuheuern, trug Oberstaatsanwältin Stefanie Dittrich vor. Motiv soll ein Streit ums Sorgerecht für die gemeinsame Tochter gewesen sein.
Die Angeklagte ist eine ehemalige Schönheitschirurgin, ihr Ehemann Unternehmer. Den Mordauftrag - nebst Foto und Anschrift des Ex - posteten sie demnach auf einer Plattform im Darknet und zahlten dafür auch 15.000 Dollar in Bitcoin auf ein vermeintliches Treuhandkonto. Als nichts passierte, hätten die beiden Angeklagten über einen aktiven User der Website weiter versucht, die Tötung des Mannes zu erreichen - und sogar noch versucht, die Dringlichkeit des Auftrags mit der Behauptung zu untermauern, dass es um Kindesmissbrauch gehe, so die Staatsanwältin weiter.
FBI gibt deutschen Ermittlern Tipp
Schließlich sei den Angeklagten im April vom Administrator der Website mitgeteilt worden, dass es sich um eine Betrugsmasche handele. Und: dass das Geld weg sei und es keine Auftragsmörder gebe. Auf die Schliche kamen die deutschen Ermittlungsbehörden dem Ehepaar den Angaben zufolge durch einen Tipp des FBI, das die Auftragskiller-Vermittlung im Darknet offenbar beobachtet hatte.
Die Anwältin der Medizinerin machte nach der Anklage-Verlesung psychische Probleme ihrer Mandantin geltend: Die 49-Jährige sei nicht in der Lage »zuzuhören und wahrzunehmen«, sagte Gabriele Heinecke mit Blick auf die neben ihr sitzende Frau, die erst nach einer kurzen Prozessunterbrechung aufhörte, sich die Ohren zuzuhalten.
»Die Frau, die hier sitzt, ist aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr die Frau, die früher erfolgreich eine Praxis für Schönheitschirurgie betrieben hat, und auch nicht mehr die Frau, die Ende 2021 in einer persönlichen Ausnahmesituation« gehandelt habe. Zugleich bemängelte die Verteidigerin, dass noch kein Vorgutachten über den psychischen Zustand ihrer Mandantin vorliege. Auch der angeklagte Ehemann äußerte sich nicht.
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