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Tierheime in Not

Manche Tierheime führen schon Wartelisten: Viele Tierhalter sind überfordert mit ihren Vierbeinern oder mit exotischen Tieren. Die Futterkosten steigen, andere Preise auch. Nun schlägt der Tierschutzbund Alarm.

Cem Özdemir
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir streichelt bei seinem Besuch im Tierheim in Stuttgart-Botnang eine Kangal-Hirtenhündin. Foto: Bernd Weißbrod
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir streichelt bei seinem Besuch im Tierheim in Stuttgart-Botnang eine Kangal-Hirtenhündin.
Foto: Bernd Weißbrod

Der Deutsche Tierschutzbund befürchtet eine Schließung von bundesweit jedem vierten Tierheim. »Ein Viertel wackelt, weil so viele Probleme zusammenkommen«, sagt der Präsident des Verbandes, Thomas Schröder. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) warf in einem Stuttgarter Tierheim einen Blick auf die tägliche Praxis.

Die Situation sei aus mehreren Gründen katastrophal, so Schröder. So sehe die neue Gebührenordnung für Veterinäre zum Teil eine Verdopplung der Honorare vor, die nicht nur die Tierheime in Bedrängnis bringe, sondern auch Halter, die wegen unbezahlbarer Behandlungskosten ihre langjährigen Gefährten schweren Herzens im Tierheim abgeben würden. »Das hat uns kalt erwischt«, sagte Schröder.

Überdies kommen die Tierheime wegen steigender Energie- und Personalkosten in die Bredouille. Schröder fordert Bund und Kommunen auf, die Finanzierung der Häuser zu verbessern. 380 Millionen Euro einmalig reichten aus, um sie auf Vordermann zu bringen. Der Tierschutzbund vertritt die Interessen von 540 Mitgliedsheimen in Deutschland.

Neben dem höheren Mindestlohn schlagen die gestiegenen Energiekosten massiv zu Buche. Schröder erklärte, die meisten Heime seien alt und energetisch nicht auf dem neuesten Stand - mancherorts hätten sich die Energiekosten verfünffacht. Dabei sei der Wärmebedarf groß: Verletzte Igel und Eichhörnchen dürften nicht auskühlen. Besonders viel Energie verschlingen die Terrarien für Warane, Schlangen, Spinnen und Kleinkrokodile. Schröder rechnet mit einer Abgabeflut von kostspieligen Reptilien.

Özdemir fordert vernünftigen Umgang mit Haustieren

Minister Özdemir rief vor dem Hintergrund der prekären Lage der Tierheime potenzielle Käufer von Haustieren zu Besonnenheit auf. »Sie sollten vor einer Entscheidung ein bissle nachdenken und prüfen, ob sie die nötige Zeit, Platz und Kleingeld für das Tier haben«, sagte der Grünen-Politiker bei einem Besuch des mit 900 Tieren auf 10.000 Quadratmetern größten baden-württembergischen Tierheims. Er fügte hinzu: »Tiere sind auch keine Weihnachtsgeschenke.«

Özdemir versprach, die Probleme anzupacken, die lange ignoriert worden seien. Er übergab den Stuttgarter Tierschützern einen Betrag von 7500 Euro aus dem Fünf-Millionen-Euro-Hilfsfonds für Tiere, die von ukrainischen Flüchtlingen abgegeben wurden. Auch eine Stiftung des Bundes zu Förderung von Tierheimen werde gerade geprüft, teilte Özdemir mit. Zur Forderung Schröders, den Internethandel mit Tieren zu verbieten, habe das Ministerium mit den entsprechenden Verkaufsplattformen Kontakt aufgenommen. Eine Selbstverpflichtung wäre Schröder aber zu wenig.

Die baden-württembergische Landestierschutzbeauftragte Julia Stubenbord sagte: »Die in der Coronakrise spontan erworbenen Tiere sind teils schon wieder im Tierheim gelandet, und die steigenden Kosten halten mögliche Halter von der Anschaffung ab.« Zudem seien die abgestoßenen Tiere oft unerzogen; Hunde seien Leinen und Gehorsam nicht gewöhnt oder aggressiv zu Mensch und Tier. Verhaltensgestörte Vierbeiner hätten aber wenig Chancen auf eine Vermittlung an neue Halter. Das Training mit ihnen bedeute für die Mitarbeiter einen enormen Aufwand.

»Wollen eine kostendeckende einheitliche Finanzierung«

Tierschutzbund-Präsident Schröder erläuterte, die Finanzierung der Tierheime sei in jeder Kommune anders: So gebe es Städte mit einer tierartenscharfen Abrechnung, anderswo an der Einwohnerzahl orientierte Pauschalen oder einen Erlass der Pacht städtischer Flächen. »Wir wollen eine kostendeckende einheitliche Finanzierung«, verlangte Schröder und fügte hinzu: »Wenn es keine Tierheime mehr gibt, fällt die Aufgabe ohnehin an die Kommunen - töten können wir die Tiere ja nicht.«

Weitere Punkte auf seinem Wunschzettel sind ein Gebot für eine Kastration von streunenden Katzen sowie eine Positivliste mit Tieren, die privat gehalten werden dürfen. »In Deutschland darf ich eine sechs Meter lange Schlange im Vorgarten halten«, kritisiert er.

Um nötige Investitionen vorzunehmen und den Winter zu überstehen, forderte Schröder für die Tierheime 190 Millionen Euro aus der Hundesteuer und ebenso viel aus dem 200 Milliarden Euro Entlastungspaket der Bundesregierung.

© dpa-infocom, dpa:221119-99-577527/5