WIEN. Wie spielt man einen Sportstar, wenn man die Sportart noch gar nicht beherrscht? Für die Schauspielerin Lavinia Nowak, die eigentlich in Wien zum Ensemble des Volkstheaters gehört, war die Rolle der Olympiasiegerin Katarina Witt eine besondere Herausforderung. Wie sie bei einer Olympiateilnehmerin Eislaufstunden genommen hat und wie ihr Katarina Witt zu einer Freundin wurde, erzählt Nowak im GEA-Interview. GEA: Wie bereitet man sich darauf vor, eine Eislauf-Ikone wie Katarina Witt zu spielen?
Lavinia Nowak: Ich habe mir viele Videos angesehen und fast jedes Interview, dass sie gegeben hat. Ich habe ihre Mimik, Gestik und Sprechweise studiert und viel aufgeschrieben. Ich habe auch mit Katarina selbst gesprochen. Und hinzu kam unheimlich viel Eislauftraining. Ich habe zwei Monate lang, viermal die Woche, drei Stunden täglich, hier in Wien, mit Inge Strell trainiert. Inge Strell ist mittlerweile 76 Jahre alt und hat 1964 an den Olympischen Spielen in Innsbruck teilgenommen.
Konnten Sie vorher schon Eislaufen?
Nowak: Das letzte Mal auf dem Eis war ich als Teenager. Schnell geradeaus ging gut, aber bremsen konnte ich nicht. Inzwischen ernte ich auf der Eisfläche sogar Komplimente von Fremden für meine Pirouetten.
Sie sind Jahrgang 1995, haben also Katarina Witt nicht mehr als aktive Sportlerin erlebt. Was dachten Sie, als sie die Anfrage für die Rolle bekamen?
Nowak: Bei der Anfrage für die Rolle »Kati« dachte ich mir zuerst, dass es um zwei Freundinnen »Kati und Jutta« geht, da die Rollen auf dem Papier keine Nachnamen hatten. Erst als ich die Olympischen Spiele ’94 googelte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass es um Katarina Witt geht. Ich kannte sie nur aus Talkshows. 1995 geboren bin ich wohl die erste Generation, die sie nicht mehr beim Eiskunstlaufen erlebt hat, was für mich von Vorteil war, denn so konnte ich unbefangen an die Rolle herangehen.
Mussten Sie auch Sächsisch üben?
Nowak: Das war lustigerweise auch Katarinas erste Frage: ob ich schon fleißig Sächsisch übe.Ich habe mich mit Katarina und der Regisseurin Mimi Kezele geeinigt, mich nicht so sehr auf den Dialekt zu setzen. Ich habe nun eher meine eigene Kunstsprache entwickelt. Aber trotzdem ganze Listen angelegt mit Worten wie Katarina sie ausspricht.
Was fasziniert Sie an Katarina Witt?
Nowak: Katarina ist eine Ikone. Eine unheimlich mutige Frau. Sie ist eine Macherin. Eine Kämpferin. Sie steht zu ihrer Weiblichkeit und ist sehr charismatisch. Wenn Sie den Raum betritt leuchtet er. Das beeindruckt mich schon sehr.
Sie waren ja bereits mit acht Jahren in der Serie »Familie Sonnenfeld« zu sehen. Ist das eine Parallele zu Katarina, die ja auch sehr jung mit dem Leistungssport begann?
Nowak: In gewisser Weise verbindet uns, dass wir früh unsere Leidenschaft zur Profession machen konnten. Für mich war es als achtjährige toll in den Sommerferien eine weitere Familie, nämlich eine TV-Familie zu haben, mit Haus, Hund und Geschwistern. Einfach allem was ich nicht hatte. Meine echte Mutter und Großmutter sind Theaterschauspielerinnen, ich bin in Theaterhäusern aufgewachsen und arbeite nun selbst dort. Theater ist auch Leistungssport. Man hat sehr viel Druck und muss leisten, leisten, leisten. Diese Berufe haben schon sehr viel miteinander zu tun, deshalb gibt es da schon Parallelen.
Sie sind Ensemblemitglied am Volkstheater in Wien und drehten gleichzeitig den »Kati-Film« in Prag. Wie gelang Ihnen der Wechsel zwischen Film und Theater?
Nowak: Das sind zwei ganz verschiedene Sachen. Im Theater erschaffst du jeden Abend eine neue Welt und lässt sie wieder sterben. Auf der Bühne kann ich eine Freiheit erlangen, die ich im realen Leben nie haben könnte. Ich spiele am Volkstheater manchmal sieben verschiedene Stücke gleichzeitig. Im Film ist alles viel realer und bleibt für die Ewigkeit. Meine Regisseurin hatte etwas Bedenken, dass ich, wenn ich von der Vorstellung zurück ans Set käme, alles viel zu groß und übertrieben spielen würde, aber ihre Zweifel haben sich schnell zerschlagen.
Wie konnten Sie sich in die DDR-Mentalität, dieses ständige Bespitzelt werden einfühlen?
Nowak: Wenn ich diese Passgenaue Werbung auf meinem Handy sehe, dann fühlt es sich oft so an als würde ich überwacht. Das ist natürlich was komplett anderes als in der DDR. Es wird mir sehr schwer ums Herz, wenn ich mir vorstelle, dass jemand Fremdes deine Telefonate mitschreibt, weiß wie deine Kuscheltiere heißen oder wann du aufs Klo gehst. Das ist der Horror. Ich habe einige Ex-DDR-Bürger in meinem Freundeskreis, die ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben und mir helfen konnten mir alles gut vorstellen zu können.
Wie fand Katarina Witt den Film?
Nowak: Sie hat den Film vor mir gesehen und hat mich direkt angerufen. Sie hat geweint und war begeistert. In einem Interview sagte sie, dass ich so fürs Spielen brenne, wie sie fürs Eislaufen. Das hat mich sehr berührt. Der ständige Austausch mit Katarina war toll für mich, und ist keinesfalls selbstverständlich! In letzter Zeit sind einige Biopics erschienen und nicht bei allen wollten die Sportler in Kontakt mit den Darstellern treten.
Würden Sie sagen, Katarina ist eine Freundin geworden?
Nowak: Irgendwie schon. sie ist jetzt ein Teil von mir. Und ich weiß ja mittlerweile unglaublich viel über sie. Ich stehe noch zur Adoption frei, Sie könnte mich auch gerne adoptieren, wenn sie will. (GEA)
ZUR PERSON
Lavinia Nowak (Jahrgang 1995) war ein Kinderstar und spielte von 2005 bis 2009 in der ARD-Serie »Familie Sonnefeld« die Rolle der Tochter Tiffy Sonnenfeld. Sie studierte zunächst Germanistik, Philosophie und Fremdsprachen in München, bevor sie von 2016 bis 2020 eine Schauspielausbildung an der Bayrischen Theaterakademie in München machte. Seit der Spielzeit 2020/2021 ist sie festes Ensemblemitglied am Volkstheater Wien und war für Nachwuchs-Theaterpreise nominiert. Daneben spielte sie zahlreiche Episodenrollen in Serien wie »Soko München« oder »Hubert ohne Staller«. »Kati-Eine Kür die bleibt« läuft am 3. Oktober, 20.15 im ZDF. (GEA)