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Tankstellen-Mord: Angeklagter gesteht tödlichen Schuss

»Dann habe ich die Waffe gezogen und abgedrückt«: Vor Gericht schildert der 50-jährige Angeklagte das tödliche Ende eines Streits um die Corona-Maskenpflicht. Die Tat hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Tankstellen-Mord
Der Angeklagte sitzt mit Handschellen im Gerichtssaal. Foto: Sebastian Gollnow
Der Angeklagte sitzt mit Handschellen im Gerichtssaal.
Foto: Sebastian Gollnow

Ein halbes Jahr nach dem tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im Streit um die Corona-Maskenpflicht hat der Angeklagte die Tat gestanden.

»Ich bereue sie zutiefst«, erklärte der 50-Jährige am Freitag vor dem Landgericht Bad Kreuznach in einer schriftlichen Stellungnahme, die von seinem Anwalt verlesen wurde. Erklären könne er sich sein Handeln bis heute nicht. Er sei sich der Schwere der Tat bewusst und bitte die Angehörigen des 20 Jahre alten Opfers um Entschuldigung.

Der deutsche Angeklagte schilderte, was sich am Abend des 18. September 2021 aus seiner Sicht in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) zugetragen hatte. Er habe vor der Tat zu viel getrunken, »und die Sicherung ist durchgebrannt«, berichtete der Mann. Er habe bereits sieben bis acht Halbliter-Dosen Bier intus gehabt und sich an einer Tankstelle mit weiterem Bier eindecken wollen. Dort habe er sich von dem Verhalten des Tankstellen-Mitarbeiters provoziert gefühlt, weil der Mann ihn wiederholt und kategorisch auf die Maskenpflicht hingewiesen habe und ihm kein Bier verkaufen wollte, weil er keine Maske getragen habe.

Er sei ohne Bier weggegangen, habe sich an einer anderen Tankstelle mit drei bis vier Halbliter-Dosen versorgt und diese zu Hause getrunken. Dabei habe er sich immer mehr über das gerade erlebte Verhalten des Tankstellen-Mitarbeiters aufgeregt. Er habe einen geladenen Revolver aus seinem Nachttisch geholt und sei erneut zu der Tankstelle gefahren - mit dem Entschluss, den Angestellten in einen Streit zu verwickeln und zu erschießen, »um ein Zeichen zu setzen«.

Die in dem Prozess als Nebenklägerin zugelassene Mutter des Opfers verfolgte die Schilderung sichtlich erschüttert und entsetzt. Am Nachmittag richtete sich die Frau an den Angeklagten: »Ich kann Ihnen nicht verzeihen.« Das könne er nicht von ihr erwarten. Der 50-Jährige, nur ein paar Schritte von der Frau getrennt, antwortete mit brüchiger Stimme: »Ich kann nicht erwarten, dass Sie mir verzeihen. Aber ich will, dass Sie wissen, dass es mir leid tut.«

Bei seiner Rückkehr in die Tankstelle habe er sich zunächst mit der Maske in die Wartereihe gestellt und gewartet, bis er an der Reihe war, schilderte der Angeklagte am Vormittag das Geschehen aus seiner Sicht. Dann habe er seine Maske heruntergezogen, etwas zu dem Tankstellen-Mitarbeiter gesagt, »die Waffe gezogen, den Hahn gespannt und abgedrückt«, antwortete er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Claudia Büch-Schmitz. Was genau in seinem Kopf vorgegangen sei, daran erinnere er sich nicht mehr. Weitere Menschen in der Tankstelle habe er nicht wahrgenommen.

Auch was nach dem Schuss passiert sei, sei ihm nur noch bruchstückhaft in Erinnerung, sagte der 50-Jährige auf Nachfrage. Er sei irgendwie nach Hause gefahren und habe seiner Lebensgefährtin so etwas gesagt wie: »Ich habe Riesen-Scheiße gebaut.«

Der Angreifer leidet nach eigenen Worten an Asthma und einer Verengung der Luftröhre. Deshalb habe er keine Maske tragen wollen. Masken habe er nur ab und zu beim Einkaufen aufgesetzt - und dann meist nur bis unterhalb der Nase. Er habe sich im Lauf der Monate immer mehr isoliert, sich in Internet-Foren informiert, immer mehr in einer »Blase« gelebt, und er sei auch sprachlich »verroht«.

Er fügte hinzu: »Ich war irgendwann sauwütend« über die Corona-Maßnahmen und die Politiker. Er habe das Gefühl gehabt, dass der Staat immer schärfer seine Bürger überwache - »wie früher in der DDR«. Die Familie des Angeklagten war Mitte der 1970er Jahre aus der DDR in die Bundesrepublik geflüchtet, er selbst war in Leipzig geboren worden.

Ein Attest, das ihm von der Maskenpflicht befreit hätte, habe er nicht gehabt, antwortete er der Richterin. Es sei ein »erniedrigender Gedanke« für ihn gewesen, seinen »Gesundheitszustand offenbaren« zu müssen.

Aus seiner Sicht waren die Corona-Beschränkungen auch dafür verantwortlich, dass er nicht zur Beerdigung seines Vaters habe gehen dürfen. Dieser habe sich nach einer schweren Krebserkrankung im Jahr 2020 erschossen und zuvor auch seine Frau - die Mutter des Angeklagten - mit einem Schuss ins Gesicht schwer verletzt. Auch seine verletzte Mutter habe er wegen der Corona-Auflagen nicht im Krankenhaus besuchen dürfen. Inzwischen sei sie infolge einer Krebserkrankung gestorben.

»Am schlimmsten war die Maskenpflicht«, sagte er im Rückblick auf die Corona-Beschränkungen. Er habe sich ohnmächtig gefühlt und »wie mit dem Rücken zur Wand«. Dieses Gefühl habe sich dann gegen den Tankstellen-Mitarbeiter entladen. Die Corona-Schutzmaßnahmen hätten 2020 auch zu einem Auftragseinbruch in seinem Geschäft als selbstständiger IT-Entwickler geführt. Vorübergehend habe er deswegen auch die Ratenzahlungen für seinen Hauskredit aussetzen müssen.

Mutter des Opfers schildert ihre schrecklichen Erlebnisse

Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Angeklagt ist der 50-jährige Deutsche auch wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Die Anwälte hatten vor Beginn des Prozesses deutlich gemacht, dass sie Zweifel daran haben, dass bei der Tat die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe erfüllt sind.

Die Mutter des 20-Jährigen schilderte am Nachmittag ihre schrecklichen Erlebnisse an jenem Abend, als ihr einziger Sohn erschossen wurde - und wie sie von seinem Tod erfuhr. Ihr Sohn sei ein sehr hilfsbereiter und fröhlicher Mensch gewesen, die Welt sei seit seinem Tod dunkler geworden.

© dpa-infocom, dpa:220325-99-668277/8