Logo
Aktuell Tiere

Star, statt Schnitzel: Wie Schwein Rosalie dem Tod entkam und berühmt wurde

Als Ferkel büxte Rosalie vor einem Transport zu einem Mastbetrieb aus und entkam so dem sicheren Tod. Nun hält die Sau nicht nur den Hof von Maren Osterbuhr auf Trab - sie ist auch im Netz eine kleine Berühmtheit.

Das ehemalige Mastschwein Rosalie steht auf einem Bauernhof auf einer Weide. Schwein Rosalie fühlt sich auf dem Bauernhof wohl.
Das ehemalige Mastschwein Rosalie steht auf einem Bauernhof auf einer Weide. Schwein Rosalie fühlt sich auf dem Bauernhof wohl. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Das ehemalige Mastschwein Rosalie steht auf einem Bauernhof auf einer Weide. Schwein Rosalie fühlt sich auf dem Bauernhof wohl.
Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

GROSSEFEHN. Im Schlamm suhlen, an Bäumen schubbern oder einfach nur auf der faulen Haut im Stroh liegen: Das alles war im Leben vom Mastschwein Rosalie eigentlich niemals vorgesehen - bis das Ferkel Reißaus nahm und dem sicheren Tod von der Schippe sprang.

Seit knapp drei Jahren lebt Rosalie nun sauglücklich auf dem Hof von Landwirtin Maren Osterbuhr mitten in Ostfriesland. »Rosalie soll hier alt werden dürfen - und zwar gesund«, sagt die junge Landwirtin, während sie eine Banane schält. »Rosalie, magst du ein bisschen Banane?« Langsam trottet die 400 Kilo schwere Sau auf die Landwirtin im knallgelben Anorak zu, nimmt das Obst grunzend an und lässt sich dabei sichtlich zufrieden am Bauch kraulen. Wäre Rosalie in der Mast geblieben, wäre sie wohl nicht einmal ein halbes Jahr alt geworden.

Rosalie wäre fast erfroren

Rosalies Leben veränderte sich in einer eiskalten Winternacht im Februar 2019. Mit minus acht Grad war es für ostfriesische Winterverhältnisse ungewöhnlich kalt, sogar Schnee lag. Am frühen Morgen machte sich Maren Osterbuhr auf zu ihrem Kuhstall, der rund 800 Meter vom Hof bei Großefehn im Landkreis Aurich entfernt steht, um ihre Kühe zu melken. »Und dann saß da ein Ferkel bei uns im Stall zwischen den Kühen«, erinnert sich die 34-Jährige. Fast erfroren und mehr tot als lebendig sei das kleine Tier gewesen. Doch woher kam es?

Schwein Rosalie lebt sauglücklich in Ostfriesland
Als Ferkel lief Rosalie bei der Verladung auf einen Anhänger davon. Nach einer kalten Winternacht suchte das junge Tier Zuflucht im Stall der ostfriesischen Landwirtin Maren Osterbuhr. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Als Ferkel lief Rosalie bei der Verladung auf einen Anhänger davon. Nach einer kalten Winternacht suchte das junge Tier Zuflucht im Stall der ostfriesischen Landwirtin Maren Osterbuhr. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

»Ein Schwein läuft einem ja eigentlich nicht zu«, sagt Osterbuhr. Und doch: Bei einem Spaziergang am Tag entdeckte die junge Landwirtin Spuren, die das Ferkel offenbar bei seinem Weg in den warmen Stall im Schnee hinterlassen hatte - durch die klirrend kalte Nacht. »Das können Ferkel eigentlich gar nicht überleben«, sagt die Bäuerin. Denn normalerweise verbrächten Ferkel ihre ersten Lebenswochen unter der Wärmelampe bei wohligen 20 bis 25 Grad. Doch Rosalie schaffte es.

»Ich hätte sie sowieso nicht rausgerückt«

Über die Ohrmarke fand Osterbuhr den Halter heraus: ein Schweinebauer aus der Nachbarschaft. Der hatte am Vorabend seine Ferkel von einem Stall zur Mast in einen anderen transportieren wollen. "Da ist Rosalie wohl einfach abgezischt", sagt Osterbuhr. Zurücknehmen durfte der Landwirt Rosalie aus hygienischen Gründen nicht. »Ich hätte sie sowieso nicht rausgerückt«, gibt die Bäuerin mit einem Lachen zu.

Und so wurde das »Findel-Ferkel« mit mehreren Wärmflaschen und Decken an die Küchenheizung gelegt. Etwa einen halben Tag habe es gedauert, bis Rosalie halbwegs wieder aufgetaut war. »Und dann hatte sie sehr viel Hunger«, erinnert sich Osterbuhr. Der Hunger ließ so schnell auch nicht nach. Bananen, Erdbeeren, Tomaten und Salat liebe die Sau. »Wir versuchen schon, sie mager zu ernähren«. Doch bei einem Schwein, das eigentlich für die Mast gezüchtet wurde, sei das gar nicht so einfach. »Alles, was wir Menschen richtig lecker finden, findet Rosalie auch super.« Kekse etwa, die Maren Osterbuhr immer reichlich in ihrer Tasche hat - und das weiß Rosalie natürlich.

Mittlerweile ist die Sau nicht nur ein liebevoll umsorgtes Familienmitglied der Osterbuhrs, sondern auch ein kleiner Star auf Instagram - eine echte Rampensau sozusagen. Denn Maren Osterbuhr berichtet in dem Sozialen Netzwerk ihren rund 15.000 Followern schon lange über ihre Arbeit als Landwirtin. »Dann wurde Rosalie irgendwann zum Liebling.« Zum Teil seien Follower sogar aus Berlin angereist und hätten ihren Urlaub an der Nordseeküste verbracht - nur um dabei einmal auch Rosalie besuchen zu können, berichtet sie.

Rosalie ist dabei übrigens nicht das einzige ostfriesische Instagram-Schwein. Erst im vergangenen Jahr sorgte Graf Bobby von Sonnenschein, ein Angler Sattelschwein, für mediales Aufsehen, nachdem sich das Schwein drei Mal erfolgreich gegen die Schlachtung wehrte. Das Tier durfte weiterleben - samt eigenem Instagram-Account.

Instagram nutzt Maren Osterbuhr, um mit Verbraucherinnen und Verbrauchern in Kontakt zu kommen. Die Bevölkerung sei extrem entfremdet von der Landwirtschaft, beklagt sie. »Wir haben als Landwirte komplett verpasst, den Verbraucher mitzunehmen. Also die Verbraucher wissen überhaupt nicht mehr, was muss wie warum gemacht werden.« Viele hätten gar keinen Bezug zu dem Fleisch, das sie essen. Dabei bräuchte es eine viel größere Wertschätzung für die Arbeit und die Lebensmittel, die die Landwirtschaft produziere, auch damit etwa Schweinebäuerinnen und Schweinebauern von ihrer Arbeit leben könnten.

Follower zu einem anderen Kaufverhalten bewegt

Tatsächlich fehlt vielen Schweinehaltern in Deutschland aktuell die wirtschaftliche Perspektive. Allein in Niedersachsen ging die Zahl der schweinehaltenden Betriebe nach Angaben des Landvolkes seit Mai 2018 von 5700 auf 5000 Betriebe im Mai 2020 zurück. »Was uns große Sorge macht ist, dass wir nicht wirklich Licht am Ende des Tunnels sehen«, sagt Landvolk-Vizepräsident und selbst Schweinehalter, Jörn Ehlers. Durch die Corona-Pandemie und die Afrikanische Schweinepest (ASP) seien den Landwirten zuletzt weitere Absatzmärkte weggebrochen.

Landwirtin Maren Osterbuhr geht mit dem ehemaligen Mastschwein Rosalie über eine Weide auf ihrem Hof.
Landwirtin Maren Osterbuhr geht mit dem ehemaligen Mastschwein Rosalie über eine Weide auf ihrem Hof. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Landwirtin Maren Osterbuhr geht mit dem ehemaligen Mastschwein Rosalie über eine Weide auf ihrem Hof.
Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Für ein Kilo Schweinefleisch bekämen konventionelle Schweinehalter aktuell etwa 1,20 Euro - um kostendeckend zu arbeiten, seien jedoch mindestens 2 Euro nötig, rechnet Ehlers vor. Bei der Herstellung von Fleisch, Eiern und Milch seien die Bäuerinnen und Bauern auf ihre Tiere, auf Lebewesen, angewiesen. »Gerade bei diesen Produkten finde ich es besonders bedauerlich, wenn das sich nicht im Preis, in der Wertschöpfung und in der Wertschätzung irgendwo widerspiegelt«, sagt Ehlers. Landwirte hätten einen Anspruch, ihre Tiere möglichst gut zu halten. Doch umsonst sei mehr Tierwohl auch nicht zu haben.

Schwein Rosalie habe einige ihrer Instagram-Follower bereits zu einem anderen Kaufverhalten bei Fleisch bewegt, berichtet Maren Osterbuhr. Indem sie ausführlich von Rosalie, ihren Milchkühen und dem Hofleben berichte, habe sich bei vielen ein anderes Bild von Landwirtschaft eingestellt. »Ich erhoffe mir dadurch, dass die Landwirte irgendwann vielleicht mal ein bisschen mehr Geld für ihre Produkte erhalten und wir dann alle in der Lage sind, die Tiere wesentlich besser halten zu können«, sagt die 34-Jährige. Schwein Rosalie soll ihr dabei noch lange zur Seite stehen und nun auf dem Hof alt werden.