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Schock in Nottingham: Drei Tote und drei Verletzte

Nottingham, eine Studentenstadt in der Mitte Englands, steht unter Schock. Drei Menschen wurden getötet, drei verletzt. Die Tatorte verteilen sich über die ganze Stadt - und hängen vermutlich zusammen.

Tatort in Nottingham
Beamte der Spurensicherung in Nottingham. Im Zentrum der englischen Stadt sind drei Menschen getötet worden. Foto: Zac Goodwin
Beamte der Spurensicherung in Nottingham. Im Zentrum der englischen Stadt sind drei Menschen getötet worden.
Foto: Zac Goodwin

Schreie hallen am frühen Morgen durch eine Straße in Nottingham. Es ist der Auftakt zu einem Tag, wie ihn die Menschen in der mittelenglischen Stadt wohl nur aus Krimiserien im Fernsehen kennen. Überall hört man Sirenen. Viele Straßen sind abgesperrt, Straßenbahnen stehen still, Busse werden umgeleitet. Die Polizei spricht von einem »schwerwiegenden Vorfall«. Bald darauf ist klar: Drei Menschen wurden getötet und drei verletzt.

Was genau geschehen ist, war auch am Abend noch nicht ganz klar. Fest steht: Unter Mordverdacht steht ein 31-jähriger Mann, der am Steuer eines Lieferwagens gestoppt und mit Hilfe eines Elektroschockers überwältigt wurde, wie eine Polizeisprecherin am Abend mitteilte. Er bleibe in Untersuchungshaft.

Von weiteren Verdächtigen gehen die Ermittler nicht aus. Der mutmaßliche Täter hatte der Polizei zufolge in den frühen Morgenstunden am Dienstag zwei 19-Jährige erstochen. Bei der Frau und dem Mann hatte es sich um Studenten gehandelt, wie die Universität zuvor bestätigt hatte.

Ein weiterer mit Messerstichen getöteter Mann, der an einem anderen Ort in der Innenstadt gefunden wurde, soll nach Polizeiangaben zwischen 50 und 60 Jahre alt gewesen sein. Der mutmaßliche Täter habe ersten Kenntnissen zufolge dessen Lieferwagen gestohlen und dazu verwendet, drei weitere Menschen zu verletzen. Eine Person befinde sich in einem kritischen Zustand, so die Sprecherin weiter. Die beiden anderen seien leicht verletzt.

Suche nach dem Motiv

Zum möglichen Motiv machte sie zunächst keine Angaben. »Wir sind noch immer im frühen Stadium der Ermittlungen und müssen herausfinden, was genau die Motive hinter diesem Angriff waren«, sagte die Sprecherin. Man behalte alle Möglichkeiten im Blick und arbeite eng mit der Antiterror-Einheit zusammen, fügte sie hinzu. Es habe Durchsuchungen am mehreren Wohnadressen gegeben, es seien dabei aber keine weiteren Personen festgenommen worden. Sie betonte, die Innenstadt von Nottingham sei nun wieder sicher.

Der Schock in der Stadt mit etwa 330.000 Einwohnern sitzt jedoch tief. Vor allem viele junge Menschen versammelten sich am Abend bei einer Mahnwache in der St. Peter's Church im Herzen der Stadt, um der Getöteten zu gedenken.

Fast wirkte es, als sei ganz Nottingham zum Tatort geworden. Die Fundorte der Leichen und die anderen Orte des Geschehens waren über das ganze Stadtzentrum verteilt. Ein Augenzeuge sagte der BBC, er habe Hilfeschreie gehört und daraufhin aus dem Fenster geschaut und gesehen, wie ein schwarz gekleideter Täter auf einen jungen Mann und eine junge Frau eingestochen habe.

Die beiden seien auf dem Heimweg von einer Feier gewesen, sagte ein Kommilitone der Zeitung »Telegraph«. »Sie waren fünf Minuten von ihrem Zuhause entfernt und wurden von irgendeinem Kerl erstochen.« Der für den Abend geplante Abschlussball der Universität wurde abgesagt.

Bei den durch den Lieferwagen Verletzten handelte es sich nach Angaben des Stadtratsvorsitzenden David Mellen um Menschen, die an einer Bushaltestelle gewartet hatten. Der Fahrer sei von Polizeiautos verfolgt worden und habe mit Vorsatz gehandelt, sagte Augenzeugin Lynn Haggitt der BBC. »Ich bin ganz zittrig, ich habe so etwas noch nie gesehen.«

»Er hat sich ziemlich gewehrt«

Die Festnahme des mutmaßlichen Täters wurde auf einem wackligen Handy-Video festgehalten. Sie soll sich etwa eineinhalb Stunden nach dem ersten Notruf ereignet haben. »Sie haben ihn aus dem Wagen gezerrt, und er fiel zu Boden. Er hat sich ziemlich gewehrt«, sagte die Studentin Demi Ojolow zu PA. Fotos vom Einsatzort zeigten einen Lieferwagen mit offener Tür. Der Kühler hat Beulen, die Windschutzscheibe Risse - ob von Kugeln, ist unklar. Anwohner wollen Schüsse gehört haben. Am Boden lag ein Rucksack.

Die Behörden riefen Zeugen auf, sich zu melden und Aufnahmen von Überwachungskameras sowie Dashcams zur Verfügung zu stellen.

Wenige Hundert Meter von einem der Tatorte entfernt stürmten bewaffnete und teils vermummte Einsatzkräfte am Mittag ein Gebäude. Die Immobilie stehe seit langem leer, sagte Mohammed Qasim, der in einem Friseursalon nebenan arbeitet. Vergangenes Jahr habe es dort eine Razzia gegeben. Seit kurzem werde das Gebäude zum Verkauf angeboten. »Wir haben seitdem niemanden gesehen«, sagte Qasim.

Der britische Premierminister Rishi Sunak dankte den Einsatzkräften für ihre Arbeit. Innenministerin Suella Braverman zeigte sich »schockiert und traurig«. »Unsere Stadt ist wegen des Todes von drei Menschen heute Morgen am Boden zerstört«, teilten die drei Parlamentsabgeordneten der Oppositionspartei Labour für die mittelenglische Stadt in einer gemeinsamen Erklärung mit. Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach sein Beileid aus.

© dpa-infocom, dpa:230613-99-36160/17