Berlin (dpa) - Das Bildungsniveau von Eltern beeinflusst die Gesundheit von Kindern einer Untersuchung zufolge erheblich. Nachwuchs von Eltern ohne Bildungsabschluss bekommt zum Beispiel mehr Medikamente verschrieben und muss öfter ins Krankenhaus als der von besser gebildeten Eltern.
Das geht aus dem ersten Kinder- und Jugendreport der Krankenkasse DAK-Gesundheit hervor. Die Unterschiede seien deutlich größer als erwartet, sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. »Wenn das Elternhaus krank macht, hängt die Diagnose der Kinder oft mit dem Lebensstil von Mutter und Vater zusammen.«
Die Bildung spiele insbesondere bei Karies und Fettleibigkeit eine Rolle, erklärte der Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld, Mitautor des Reports. Karies sei bei Kindern von Eltern ohne Abschluss fast dreimal und Adipositas zweieinhalb mal häufiger als bei Akademikerkindern.
Weniger stark, aber immer noch deutlich fällt der Unterschied bei Entwicklungs- und Verhaltensstörungen aus. Die DAK-Daten zeigten, dass sich Kindergesundheit mehr mit Bildungspolitik fördern lasse als mit Maßnahmen, die auf höhere Einkommen abzielten, so Greiner.
Der Report basiert auf Abrechnungsdaten von knapp 590.000 Kindern und Jugendlichen sowie rund 430.000 Eltern, die bei der DAK versichert sind. Ausgewertet wurde das Jahr 2016. Andere Studien zum Thema haben häufig nur Selbsteinschätzungen von Eltern als Grundlage.
Die große Langzeitstudie KiGGS des Robert Koch-Instituts (RKI) war in diesem Frühjahr zu dem Schluss gekommen, dass vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Elternhäusern gesundheitlich benachteiligt sind: Sie sind oft dicker, bewegen sich weniger, rauchen häufiger und haben mehr psychische Probleme. RKI-Experten begründeten das auch mit fehlenden Teilhabe-Chancen.
Insgesamt hat laut DAK-Report etwa jedes vierte Kind in Deutschland eine potenziell chronisch verlaufende Krankheit wie Neurodermitis oder Asthma. Jedes zehnte Kind hat mit psychischen Erkrankungen wie ADHS oder Schulangst zu kämpfen.
Wenig überrascht von den Ergebnissen zeigte sich der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach. »Wir schleppen das Thema seit zehn, fünfzehn Jahren mit uns rum«, sagte er. An Bildung arme und materiell arme Eltern hätten oft kein Gesundheitsbewusstsein. In diesen Familien seien andere Probleme wichtiger, die Kinder fielen durch die Maschen. Da Kinder besser zu erreichen seien als Eltern, brauche es Konzepte von der Kita an.
Die Experten sprachen von Beispielen wie gesünderem Kochen und Faktoren wie Bewegung, die in den betroffenen Haushalten offenbar zu kurz kämen. Storm betonte: »Gesundheit gehört auf den Lehrplan«. Ihm schwebe eine Integration des Themas in bestehende Fächer vor. Der Report zeige, dass die Präventionsarbeit bislang zu wenig auf die nun identifizierten Risikogruppen zugeschnitten sei.
Storm und Fischbach sprachen sich zudem dafür aus, sehr süße Lebensmittel durch eine Zuckersteuer zu verteuern. Auch die Kennzeichnung auf Verpackungen müsse vereinfacht werden, appellierte Fischbach - zum Beispiel, damit Verbraucher leichter erkennen, dass hinter einem Begriff wie Fruktose letztlich Zucker steckt.
Die DAK plant weitere Kinder- und Jugendreports, um Trends ablesen zu können.