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Rakete eines deutschen Start-ups hebt mit Kerzenwachs ab

Elon Musk hat auch klein angefangen: Erstmals seit Jahrzehnten ist eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens gestartet. Die zwölf Meter lange Rakete wurde in Australien getestet.

Start der Trägerrakete
Die Rakete startete um 14:40 Uhr Ortszeit in Koonibba, Australien. Sie wird mit Paraffin (Kerzenwachs) und flüssigem Sauerstoff angetrieben. Foto: Hiimpulse/DPA
Die Rakete startete um 14:40 Uhr Ortszeit in Koonibba, Australien. Sie wird mit Paraffin (Kerzenwachs) und flüssigem Sauerstoff angetrieben.
Foto: Hiimpulse/DPA

In der privaten Raumfahrt sind vor allem Menschen wie Elon Musk und Jeff Bezos bekannt. Doch auch private Raketenbauer aus Deutschland drängen auf den Markt. Nun ist erstmals seit Jahrzehnten eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens gestartet.

Die zwölf Meter lange Rakete hob am Morgen gegen 7:10 Uhr MESZ in Koonibba in Australien ab, wie ein Sprecher des Unternehmens mitteilte. Der Start war wetterbedingt mehrmals verschoben worden. Die Rakete wurde angetrieben mit Kerzenwachs und Sauerstoff, überschritt jedoch die Grenze zum Weltraum nicht.

Was genau flog da in die Luft?

Die Trägerrakete SR75 hat eine Nutzlast von 250 Kilogramm. Ihr Treibstoff war so konfiguriert, dass sie maximal 60 Kilometer hoch fliegen konnte. Wie hoch sie tatsächlich aufstieg, weiß man nach Auskunft des Unternehmens HyImpulse, das seinen Sitz in der Nähe von Heilbronn hat, erst, wenn die Rakete geborgen ist und der Flugschreiber ausgewertet wurde. Die Rakete könnte laut HyImpulse auch ins All fliegen - im Rahmen der vorliegenden Genehmigung war das diesmal aber nicht geplant.

Die Ingenieure wollten das Triebwerk der Rakete testen - und das besondere Antriebskonzept. Die Rakete sei mit Paraffin, also Kerzenwachs, und flüssigem Sauerstoff geflogen. An dem Triebwerk sei seit mehr als zehn Jahren gearbeitet worden. Die Technik sei schon bekannt, habe sich aber bei Startraketen bisher nicht durchgesetzt, sagt Martin Tajmar, Experte für Raumfahrttechnik an der TU Dresden. »Es gibt keine kommerzielle Rakete, die so eine Technologie in groß verwendet.«

Welchen Zweck hat das Ganze?

Die Idee ist laut HyImpulse-Mitgründer Christian Schmierer, mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten zu machen. »Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab - wie an einer Haltestelle. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi.«

Die Raketen seien durch das hybride Triebwerk aus festem und flüssigem Treibstoff günstiger, da weniger Bauteile nötig seien als bei herkömmlichen Antrieben. Der Start einer Orbitalrakete mit größerer Nutzlast sei für Ende 2025 geplant.

Wie ist der Start in einem internationalen Kontext zu bewerten?

Die Welt schaue zwar nicht auf den Start, aber für Deutschland sei er ein wichtiges Event, sagte Raumfahrtexperte Tajmar. Im Ganzen betrachtet sei es ein Nischenmarkt. Doch der sei für Europa relevant, weil es im Moment niemanden gebe. In Europa spielen bislang die Raketen des Unternehmens Arianespace eine entscheidende Rolle beim Transport von Satelliten. Ein Ariane-Launcher, der etwas ins All bringen könne, sei aber gerade nicht im Betrieb.

In anderen Ländern ist die private Raumfahrt viel stärker, oder?

Die Raketen von Tech-Milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketenstarts zuständig, erklärte Tajmar. Danach folge China. Alles Übrige entfalle auf den Rest der Welt. »Das ist sowas von unwichtig.« In China gebe es viele private Start-ups, die auch schon ins All geflogen seien.

Der SpaceX-Gründer Musk habe den Maßstab hochgelegt. »Da schauen alle nur ehrfürchtig zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren.« Sonst tue sich aktuell nicht viel. Musk habe auch mit einer kleinen Rakete angefangen. Doch er sei relativ schnell zu größeren Modellen übergegangen, die dann wiederverwendbar wurden, ein enormer Vorteil für Preis und Verfügbarkeit. Aber: »Man muss irgendwo anfangen«, sagte Tajmar mit Blick auf die deutschen Start-ups.

Was erwartet der Anbieter langfristig?

Dass es in den USA und China schon entsprechende Anbieter von kleinen Raketen gibt, ist Schmierer bewusst. Aber die seien viel zu teuer, sagt er. HyImpulse sei preislich deutlich attraktiver. Ein Start der größeren kommerziellen Rakete koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle man etwa 6500 Euro berechnen. Man habe bereits viele Kundenanfragen, die Auftragsbücher seien ordentlich gefüllt. Auch die Politik hofft auf Kostensenkungen durch die Nutzung privater Anbieter.

Wer braucht solche Satelliten-Taxis?

Zu den Kunden gehört laut Schmierer etwa die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren brauche. Man wolle den Markt nicht China und den USA überlassen. »Wir brauchen auch als Europäer Unabhängigkeit von den Amerikanern, auch wenn sie unsere Partner sind.«

Auch der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Satelliten werden nach seinen Aussagen immer kleiner werden. Die neuen Kleinraketen-Anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagte der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. Deshalb halte er die Ideen der Start-ups für richtig.

Bereits in den späten 1970er-Jahren hat eine deutsche Firma laut Walter eine Privatrakete entwickelt, die eine günstigere Alternative sein sollte. Es habe einige Raketentests des Unternehmens Otrag in Afrika gegeben. »Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen.« Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft) sei jedoch in den 80er-Jahren eingegangen.

Welche deutschen Firmen stehen noch in den Startlöchern?

HyImpulse ist nicht das einzige Start-up in Deutschland, das derzeit an der Entwicklung von sogenannten Microlauncher arbeitet. Im Nachbarbundesland Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet. Sie arbeiten an Trägerraketen, mit denen Satelliten ins All befördert werden können, und planen demnächst erste Testflüge.

So viele deutsche Anbieter werde es trotz der Größe des Marktes aber nicht brauchen, ist sich Walter sicher. Es werde sich zeigen, welches Start-up sich durchsetzen könne.

© dpa-infocom, dpa:240503-99-899463/5