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Prozess gegen Heilpraktiker: Drei Krebspatienten getötet?

An einer Arzneimittel-Überdosierung, mitverursacht durch eine ungeeignete Waage, sollen drei Krebskranke gestorben sein. Nun steht ein Heilpraktiker am Niederrhein wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht.

Landgericht in Krefeld
Blick auf das Land- und Amtsgericht in Krefeld. Hier muss sich ein Heilpraktiker wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Foto: Rolf Vennenbernd
Blick auf das Land- und Amtsgericht in Krefeld. Hier muss sich ein Heilpraktiker wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Foto: Rolf Vennenbernd

KREFELD. Er soll für den Tod von drei Krebspatienten verantwortlich sein: Ein Heilpraktiker aus dem niederrheinischen Moers steht an heute in Krefeld vor Gericht. Der 61-Jährige ist wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz angeklagt.

Beim Prozessauftakt wird erwartet, dass sich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußert. Bislang soll er die Vorwürfe bestritten haben.

Laut Anklage hat er seinen schwerkranken Patienten im Rahmen einer alternativen Krebstherapie Ende Juli 2016 durch einen Fehler beim Abwiegen eine erheblich überdosierte Infusionslösung verabreicht. Demnach hatte er eine ungeeignete Waage benutzt und den Wirkstoff um das Drei- bis Sechsfache zu hoch dosiert.

Zwei Frauen und ein Mann starben innerhalb weniger Tage nach der Behandlung. Bei einer vierten Patientin war die Therapie nach der ersten Infusion abgebrochen worden.

Der Heilpraktiker hatte Krebspatienten mit dem Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) behandelt. Dieser war 2016 nicht als Arzneimittel zugelassen worden, eine Anwendung wurde aber nicht grundsätzlich verboten. Der Stoff wird eingesetzt, um Krebszellen absterben zu lassen.

Allerdings kann bereits eine geringe Überdosierung des Stoffs tödliche Nebenwirkungen auslösen, so die Staatsanwaltschaft. Insgesamt hatten die Ermittler rund 70 Todesfälle untersucht. Die Praxis in Brüggen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet wurde vor allem von niederländischen Patienten aufgesucht.

Die Verteidigerin des Heilpraktikers wollte sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zunächst nicht äußern. Das Gericht hat für den Prozess bis Ende Juni zehn Verhandlungstage angesetzt.

Die Stiftung Patientenschutz mahnte eine Reform der Heilpraktiker-Ausbildung an. Nach wie vor fehle es an bundesweit einheitlichen Standards für diesen Beruf. So könnten Patienten kaum zwischen einem seriösen Anbieter und einem Scharlatan unterscheiden. »Es darf nicht sein, dass es in Deutschland weiterhin einfacher ist, Heilpraktiker zu werden als Krankenpfleger«, so Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

Heilpraktiker ist in Deutschland eine geschützte Berufsbezeichnung. Sie gilt für Menschen, die mit staatlicher Erlaubnis Heilkunde ausüben dürfen. Sie unterliegen dabei dem deutschen Heilpraktikergesetz von 1939, das zuletzt 2016 geändert worden war.

Vom Arzt unterscheidet den Heilpraktiker, dass eine bestimmte Ausbildung nicht vorgeschrieben ist und dass er weniger Befugnisse hat. So darf ein Heilpraktiker zum Beispiel keine Medikamente verschreiben oder Geburtshilfe leisten.

Nach Angaben des Bundes Deutscher Heilpraktiker arbeiten in Deutschland etwa 47 000 Menschen als Heilpraktiker, die täglich 128 000 Menschen behandeln. Heilpraktiker müssen mindestens 25 Jahre alt sein. Sie werden vom Gesundheitsamt überprüft. Ihre Methoden sind vielseitig und umstritten, ihre Wirkung ist wissenschaftlich meist nicht belegt. In der Regel werden sie von den Krankenkassen nicht bezahlt. (dpa)