Thronfolger Prinz William hat es zu seinem Lebensziel gemacht, die Wohnungslosigkeit im Vereinigten Königreich zu beenden. Der älteste Sohn von König Charles III. gab am Montag den Startschuss für seine neue Initiative Homewards. In London besuchte der 41-Jährige eines von sechs Pilotprojekten. »In einer modernen und fortschrittlichen Gesellschaft sollte jeder ein sicheres Zuhause haben, mit Würde behandelt werden und die Unterstützung erhalten, die er braucht«, sagte William.
Tatsächlich ist Wohnungslosigkeit eines der drängendsten sozialen Probleme in Großbritannien. Schätzungen zufolge sind mehr als 300 000 Haushalte ohne festes Obdach. Und: Es werden immer mehr. Einen Anstieg um etwa ein Drittel über drei Jahre hat die Wohltätigkeitsorganisation Crisis ausgemacht. Die steigenden Lebenskosten, höhere Mieten, wenig bezahlbarer Wohnraum, niedrige Löhne und unsichere Arbeitsplätze sowie Fehler im Sozialsystem: Die Gründe seien komplex, betonte Crisis.
Finnland bekämpft die Obdachlosigkeit erfolgreich
Homewards wolle Wohnungslosigkeit »selten, vorübergehend und unwiederholt« machen, kündigte William an. Als Vorbild dient Finnland, das in wenigen Jahren die Obdachlosigkeit drastisch gesenkt hat. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) informierte sich bereits in dem nordeuropäischen Land, wie das funktioniert.
Der Moment für Williams Initiative könnte nicht passender sein. Eine Umfrage im Auftrag seiner Stiftung Royal Foundation ergab, dass mehr als ein Fünftel der Befragten von Wohnungslosigkeit betroffen sei - entweder persönlich oder über Familienmitglieder und Freunde. Fast drei Viertel sind der Ansicht, das Problem habe im vergangenen Jahr zugenommen, und ähnlich viele meinen, das Thema werde zu wenig beachtet.
Homewards ruft nun lokale Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen auf, die Kräfte zu bündeln und »maßgeschneiderte« Pläne für Unterkünfte zu entwickeln. Für die zunächst auf fünf Jahre ausgelegte Initiative stehen jeweils bis zu 500 000 Pfund (ca. 580 000 Euro) bereit. Als »Ergänzung zu dem, was bereits getan wird«, kündigte der künftige König seine Idee in der Zeitung »Sunday Times« an. Wichtig ist, dass sein soziales Engagement nicht als Kritik an der Regierung empfunden wird - die Royals haben unpolitisch zu sein.
Nicht alle sind glücklich über die Initiative
Der Kampf gegen Wohnungslosigkeit ist für William, so versichern royale Quellen, ein persönliches Anliegen. Bereits vor 30 Jahren nahm ihn seine Mutter Prinzessin Diana mit in eine Obdachlosenunterkunft, damit er das Leid der anderen aus nächster Nähe persönlich erlebt. 2009 verbrachte William eine kalte Nacht auf einer Straße in London, er ist Schirmherr von zwei Hilfsorganisationen.
Doch nicht alle sind glücklich über Williams Wahl. Als Heuchler kritisiert die Organisation Republic, die für eine Abschaffung der Monarchie eintritt, den Königssohn. Wohnungslosigkeit sei teils das Ergebnis wirtschaftlicher Ungleichheit - »etwas, das von den superreichen Royals repräsentiert wird, die in mehreren Palästen wohnen«, sagte Republic-Chef Graham Smith. William sei daher kein glaubhafter Botschafter. Er verfüge mit Adelaide Cottage auf Schloss Windsor, einer riesigen Wohnung im Londoner Kensington-Palast sowie dem stattlichen Wohnhaus Anmer Hall auf dem ostenglischen Anwesen Sandringham über drei exklusive Wohnorte.
Prinz William will bezahlbare Wohnungen schaffen
Hinzu kommt, dass William nun als Thronfolger einer der größten Grundbesitzer des Landes ist - ihm stehen Pachteinnahmen aus dem Herzogtum Cornwall zu. Im »Sunday Times«-Interview kündigte William an, er werde dort bezahlbare Wohnungen schaffen.
»Der Prinz ist überzeugt, dass es an der Zeit ist, ein Schlaglicht auf das Problem zu werfen und Maßnahmen zu ergreifen«, zitierte die Nachrichtenagentur PA eine »royale Quelle«. Ja, hieß es dort weiter, William befinde sich nun mal in einer bevorzugten Lage. »Aber hier geht es nicht um große Gesten, hier geht es nicht um einen PR-Gag. Hier geht es darum, die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft über Obdachlosigkeit denken, systemisch zu verändern.«
Republic-Chef Smith zeigte sich von den Versicherungen unbeeindruckt. »Wohnungslosigkeit ist das Ergebnis von Regierungspolitik und fehlender Investitionen und nichts, das mit Wohltätigkeit oder royaler Schirmherrschaft gelöst werden kann«, sagte er.
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