Ravensburg (dpa) - Sie schmücken so manchen Tisch beim Kindergeburtstag, sind oft beim Eistee dabei - und auch zum Cocktail gehören Plastik-Strohhalme für viele dazu.
Aber in absehbarer Zeit ist Schluss damit: Das EU-Parlament hat kürzlich ein Verbot von Einweg-Plastikprodukten auf den Weg gebracht, für die es geeigneten Ersatz gibt. Doch was bedeutet das im Alltag? Und wen bringt das Verbot möglicherweise in Schwierigkeiten?
In der KINDERTAGESSTÄTTE Carlo Steeb in Ravensburg ist ein Verbot der Strohhalme kein Problem: »Ich persönlich glaube nicht, dass die Kinder das brauchen«, sagt die Leiterin Andrea Auer. In der Ravensburger Einrichtung würden die Halme auch gar nicht genutzt. »Die Kinder bringen von zuhause eine Tasse mit und beim Mittagessen gibt es ein normales Glas.« Viele Kinder seien es zudem gewohnt, mit Trinkflaschen umzugehen - und leider auch mit Fruchtmus aus Quetschbeuteln. Die machten auch viel Müll, sagt Auer. »Eigentlich gehören sie auch verboten.«
Auch Kerstin Ellermann, die als Planerin von KINDERGEBURTSTAGEN im niedersächsischen Bad Essen arbeitet, hat mit den Strohhalmen bisher wenig Probleme: »Ich kann mich an keinen Geburtstag erinnern, wo Strohhalme überhaupt zum Trinken genutzt wurden. Die Kinder haben alle ganz normal aus Bechern und Tassen getrunken«, sagt sie. »Ich habe allerdings ein Spiel, bei dem ich Strohhalme verwende - da saugen die Kinder mit den Halmen kleine Plastikelemente an und müssen sie dann in ein Gefäß befördern. Aber das kann man ja leicht umorganisieren.«
Denn ALTERNATIVEN für den Strohhalm aus Plastik gibt es eine ganze Menge - darunter solche aus Edelstahl, Glas und Papier. Manche lassen sich sogar essen, beispielsweise Halme aus Schokolade. Oder man nimmt einfach eine lange Makkaroni-Nudel. Einige Firmen setzen auch auf Bambus.
Aber wie sieht es mit der HYGIENE aus? »Trinkhalme werden häufig für zucker- oder andere nährstoffhaltige Getränke verwendet, die eine ideale Grundlage für das Wachstum von Bakterien bieten«, heißt es dazu beim Verbraucherschutzministerium in Stuttgart. Bei der Verwendung kämen sie auch mit Bakterien der Mundhöhle in Kontakt. Zudem sei das Halminnere für die Reinigung schwer zugänglich. »Mutmaßlich dürfte eine Reinigung in der Spülmaschine ohne spezielle Reinigungsdüsen schwierig werden.«
Viele Anbieter verkaufen die Mehrweghalme daher direkt mit speziellen Reinigungsmöglichkeiten, zum Beispiel kleinen Bürsten. Bisher seien die Mehrweghalme weder auf ihre chemische Unbedenklichkeit noch auf ihre mikrobiologische Beschaffenheit untersucht worden, sagte eine Sprecherin weiter. »Wir werden dieses Thema aber nun in den Fokus nehmen, da wir mit einem vermehrten Einsatz der benannten Mehrwegtrinkhalme rechnen.«
Nicht jeder ist glücklich mit dem Wegfall der herkömmlichen Plastik-Strohhalme: Auf TWITTER formiert sich beispielsweise unter dem Hasthag #savethestraw (Rettet den Strohhalm) Widerstand. Zudem gibt es Menschen, für die ein Verzicht auf die Halme tatsächlich schwierig wäre - etwa wegen einer BEHINDERUNG. Unter dem Titel »Eure Luxus-Strohhalme sind meine Freiheit« berichtet die Bloggerin Tanja Kollodzieyski darüber, warum umweltfreundlichere Alternativen für sie kaum in Frage kommen: »Ich benötige zum Beispiel Strohhalme, die knickbar sind. Damit sind Glas und Metal schon raus. Papier und Nudeln (ja, Nudeln!) halten keine Hitze aus. Silikon, Bambus und Co. sind teilweise nicht geschmacksneutral und teuer zudem.«
Und Kollodzieyski - die eine sogenannte Cerebralparese hat, die mit Störungen der Motorik einhergeht - schreibt weiter: »Wir Menschen haben wirklich ein Plastikproblem. Ohne Zweifel. Ich finde es nur nicht besonders fair, dass wir Menschen mit Behinderungen die einzige Gruppe sind, die von außen gezwungen werden, uns deswegen umzustellen. Während zum Beispiel Plastikverpackungen im Supermarkt friedlich weiter existieren, weil es so schön bequem ist, ohne andere Behälter einkaufen zu gehen.«
Aber um wie viele Strohhalme geht es eigentlich? Verlässliche ZAHLEN gibt es dazu gar nicht. Aber die in Brüssel ansässige Umweltschutz-Dachorganisation Seas at Risk schätzt den jährlichen Verbrauch in den 28 EU-Ländern auf mehr als 36 Milliarden Halme. Rechnerisch nutzt demnach jeder der etwa 512 Millionen EU-Bürger etwa 70 Stück pro Jahr.