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Pfleger wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt

Ein Krankenpfleger wollte auf seinem Handy spielen und seinen Kater auskurieren. Dafür mussten zwei Patienten sterben. Jetzt ist das Urteil gegen den Mann gefallen.

Prozess gegen Pfleger in München
Der wegen Mordes an zwei Patienten angeklagte Krankenpfleger (l) ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Foto: Lennart Preiss
Der wegen Mordes an zwei Patienten angeklagte Krankenpfleger (l) ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Foto: Lennart Preiss

»Man denkt in keiner Sekunde sicherlich dran, dass ein Pfleger, der dafür zuständig ist, für die Heilung zu sorgen, dass der einen angreift«, sagt der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann. »Es war sein Job, bei der Heilung zu helfen und er macht genau das Gegenteil und das auch noch im Krankenhaus.«

Das Landgericht München I hat einen Krankenpfleger wegen zweifachen Mordes und sechsfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellt am Montag auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen.

»Ich hätte weitergemacht«

Der inzwischen 27 Jahre alte Deutsche habe »seine Ruhe, seine Bequemlichkeit über das Lebensrecht der Patienten gestellt«, heißt es in der Urteilsbegründung.

Der gelernte Altenpfleger, der als Krankenpfleger auf der Wachstation des Münchner Klinikums rechts der Isar gearbeitet hatte, hatte zu Prozessbeginn unumwunden eingeräumt, zwei 80 und 89 Jahre alte Patienten getötet und es bei drei weiteren versucht zu haben - bei zwei von ihnen mehrmals.

Das Motiv, das er angab, klang erschreckend banal: Er habe einen Kater gehabt und seine Ruhe gewollt. »Um seine Ruhe zu haben und nicht arbeiten zu müssen«, habe er die Patienten ruhiggestellt, sagt Riedmann. Um »Zeit zu haben fürs Schlafen oder fürs Handyspielen«. Er spricht von einem »Geständnis, das allerdings schon fast ein bisschen schaudern lässt«.

Und schaudern musste er auch an anderer Stelle, wie er sagt, und gibt ein Zitat des Angeklagten wieder: Denn auf die Frage, wie es weitergegangen wäre, wären seine Taten nicht aufgeflogen, sagte der: »Ich hätte weitergemacht.«

Angeklagter in Zukunft »keine sehr große Gefahr«

Eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, verhängte das Gericht allerdings dennoch nicht. Riedmann begründet das unter anderem damit, dass der Angeklagte noch sehr jung sei, seine Taten bereue, keine Vorstrafen und eine lange Zeit im Gefängnis vor sich habe.

Das Gericht schließe sich dem angehörten Sachverständigen an, der »zwar eine große Gefahr, aber keine sehr große Gefahr gesehen hat«, die künftig vom Angeklagten ausgehen könne.

Die Kammer beschränkt sich somit auf ein lebenslanges Berufsverbot für alle Pflegeberufe. Als Alten- und Krankenpfleger wird der Mann, der im Prozess betonte, das auch gar nicht mehr zu wollen, nie wieder arbeiten dürfen: »An dem Verbot führt kein Weg vorbei.«

Innerhalb der Kammer sei die Frage der Sicherungsverwahrung ein »Problem« gewesen, »das zu einigen Diskussionen geführt hat«, räumt Riedmann ein.

Keine Unterbringung in Entziehungsanstalt

Der Forderung der Verteidiger nach der Unterbringung ihres Mandanten in einer Entziehungsanstalt kommt das Gericht nicht nach. Der Mann habe zwar in der Freizeit viel getrunken, zeige aber in Haft »keine Entzugssymptomatik«.

Außerdem sei der Mann, der im Krankenhaus auffiel, weil er sehr viel Parfüm benutzte, um seine Alkoholfahne zu überdecken, bei der Arbeit nicht völlig betrunken, sondern in erster Linie verkatert gewesen. »Es war möglicherweise häufig so, dass er noch einen Kater hatte« sagt Riedmann. Aber: »Das Handeln im Katerzustand sehen wir nicht als Symptomtat an.«

Sein Mandant sei »relativ zufrieden«, dass er keine Sicherungsverwahrung bekommen habe, sagt Verteidiger Benedikt Stehle nach dem Urteil und kündigt an, »erstmal pro forma« Revision einlegen zu wollen. Der Angeklagte bereue die Taten, betont der Anwalt. »Es hat ihn die ganze Zeit schon sehr belastet, was er da getan hat.«

Bekannte »Einzelfälle«

Tötungsdelikte in der Pflege machen deutschlandweit immer wieder Schlagzeilen: Dieser Münchner Fall erinnert an den als »Todespfleger« bekannt gewordenen Patientenmörder Niels Högel, den das Landgericht Oldenburg 2019 wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt hatte.

Anfang Oktober 2020 verurteilte das Landgericht München I einen Hilfspfleger wegen Mordes an drei Patienten zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Der Mann aus Polen hatte alten Menschen, die er pflegen sollte, Insulin gespritzt, das als Überdosis tödlich sein kann.

2016 verurteilte das Landgericht München I eine Hebamme des Klinikums Großhadern wegen siebenfachen Mordversuches im Kreißsaal zu 15 Jahren Haft. Nach Überzeugung des Gerichts hatte die Frau Patientinnen bei Kaiserschnitt-Geburten heimlich Blutverdünner gegeben. Ohne Notoperationen wären sie gestorben.

»Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung eine andere ist, sind Serientäter in der Medizin und Pflege absolute Einzelfälle«, betont Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. »Dennoch müssen Krankenhäuser und Pflegedienste für dieses seltene Phänomen die Sinne schärfen« an einem Ort, an dem das Sterben »allgegenwertig« sei. Fast immer fielen Täter in ihrem Teams auf, sagt er. »Es muss die Wachsamkeit des Kollegiums gestärkt und das Wegsehen verhindert werden.«

© dpa-infocom, dpa:230515-99-695219/7